
Die Presse October 07, 2006
Drückt Kim jetzt auf den Knopf?
Angst vor Atomtest. Nordkorea könnte an diesem Wochenende eine Atombombe zünden.
PEKING/PJÖNGJANG (ag/wg.). Die weltweite Nervosität wegen der Ankündigung Nordkoreas, "in naher Zukunft" einen Atomtest durchzuführen, stieg Freitag dramatisch an: Laut hohen US-Beamten sowie Quellen in chinesischen Regierungskreisen könnte die stalinistische Regierung in Pjöngjang schon am Sonntag oder Montag einen Nuklear-Sprengsatz zünden.
Für einen Test genau in diesen Tagen habe das nordkoreanische Regime, das so viel Wert auf Symbolik legt, gute Gründe: Sonntag ist neunter Jahrestag der Ernennung von Kim Jong Il, des jetzigen Diktators, zum Vorsitzenden der nordkoreanischen Verteidigungskommission. Und Montag ist der Tag der Arbeiterpartei Nordkoreas.
Angeblich soll die Atombombe in einem Bergwerksschacht nahe der Grenze zu China in 2000 Meter Tiefe explodieren. Wo genau die betreffende Mine sei, könne indes nur vermutet werden, da es im Grenzgebiet zwischen China und Nordkorea hunderte aktive und stillgelegte Stollen gebe.
Laut dem militärstrategischen Onlinedienst "GlobalSecurity.org" deutet einiges auf den Berg Mantap in der Provinz Nord-Hamkyong hin. Hier hätten Nordkoreas Militärs seit Jahren Tunnels gebohrt; zuletzt hätten Satelliten verdächtige Aktivitäten und Fahrzeugbewegungen entdeckt. Zudem sei in der Nähe eine große Beobachtungsplattform für Gäste errichtet worden, die an jene bei frühen US-Atomtests erinnere.
Möglicherweise werde Nordkorea mit dem Test aber noch zuwarten, um zu sehen, ob die USA sich auf direkte Gespräche einließen. Das vermutet auch der US-Politologe Peter Hayes vom Nautilus-Institut in San Francisco: Ihm zufolge wolle Pjöngjang mit der Ankündigung die USA in einen bilateralen Dialog und zur Aufgabe der Wirtschaftssanktionen zwingen.
Der UN-Sicherheitsrat, der seit Donnerstag über die Nordkorea-Krise debattiert, einigte sich derweil Freitag auf eine Erklärung: Darin wird Pjöngjang aufgefordert, von einem Nukleartest Abstand zu nehmen und zu den "Sechsergesprächen" mit den USA, Russland, China, Japan und Südkorea über Nordkoreas Atomprogramm zurückzukehren. Nordkorea verließ die Gespräche vor mehr als einem Jahr aus Protest gegen US-Strafmaßnahmen. Die Erklärung muss noch von den Regierungen der Sicherheitsratsmitglieder gebilligt werden. Die USA hatten dabei vergeblich versucht, in den Text einen Hinweis auf UN-Sanktionen einzufügen.
Das Rätselraten über den Atomtest wird die Reise des neuen japanischen Premiers Shinzo Abe nach China am Sonntag überschatten. Bei dem vor Tagen überraschend angekündigten Besuch will sich der nationalistische Hardliner Abe unter anderem für japanische Kriegsgräuel an Chinesen in den 30er- und 40er-Jahren entschuldigen und die Beziehungen der beiden Mächte verbessern.
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