
dpa August 04, 2006
Wie stark ist die Hisbollah?
Guerilla-Taktik der radikalen Moslems scheint Israel überrascht zu haben - Parallelen zum Irak
von Gabriele Chwallek
Washington/dpa. Es ist wie David gegen Goliath. Nach fast vier Wochen massiver israelischer Luftangriffe und Bodenoffensiven gibt es keine sichtbaren Zeichen für eine Schwächung der Hisbollah, die doch in ihrer Zahl und Ausrüstung Israel bei weitem nicht das Wasser reichen kann.
Im Pentagon wird die Entwicklung mit zunehmender Sorge registriert. Israel, so heißt es in Ministeriumskreisen, sei anscheinend von der Stärke der Kriegsführung der Hisbollah überrascht worden, und das, obwohl es nicht die erste Konfrontation mit diesem Gegner ist. Im Pentagon stellt man sich nun die Frage, wie gut das amerikanische Militär auf einen bewaffneten Konflikt mit einem derartigen Feind vorbereitet wäre, der mit kleinsten, beweglichen Einheiten operiert und trotzdem extrem gut organisiert ist.
«Keine Frage, Hisbollah ist ein beachtlicher Gegner», sagt Stephen Biddle, Sicherheitsexperte beim Council On Foreign Relations, einem renommierten Forschungsinstitut. «Das US-Militär tut gut daran, den Verlauf dieses Krieges genau zu studieren, um seine Lehren daraus zu ziehen.» Warum, liegt auf der Hand. Die Hisbollah verkörpert für die USA eine neue Art von Gegnern, die - wie die Rebellen im Irak - nicht mit geballter Streitmacht zu bekämpfen und zu besiegen sind. Aber anders als die Aufständischen in dem Golfstaat sind die Milizionäre ein Zwitter - mit der «Ausgereiftheit einer nationalen Armee und der tödlichen Unsichtbarkeit von Guerillas», wie es Biddle formuliert. «Sie sind gut vorbereitet, hoch motiviert und extrem schwer zu zerschlagen.»
Hätten die Taktiken des US-Militärs schon im Kampf gegen die Aufständischen im Irak nicht funktioniert, so könnten herkömmliche militärische Strategien erst recht nicht bei der Bekämpfung dieser Art von Gegner angewendet werden. Und auf einen derartig strukturierten Feind etwa müssten sich die USA einstellen, wenn sie sich auf einen Waffengang mit dem Iran einließen, sagt John Pike von globalsecurity.org, einer sicherheitspolitischen Institut. Danach erwarten US-Militärplaner, dass sie es mit paramilitärischen Truppen zu tun hätten, die von den iranischen Revolutionsgarden nach dem Muster der Hisbollah ausgebildet und ausgerüstet worden sind.
Es gibt nach Einschätzung von US-Militärexperten gleich Dutzende Gründe, die einen militärischen Sieg über die Hisbollah so schwer machen. So habe sich die Miliz Jahre lang auf einen solchen Konflikt vorbereitet und den Zeitpunkt mit der Entführung von zwei israelischen soldaten selbst gewählt, sagt Pike. Jahre lang seien schätzungsweise mehr als 12 000 Raketen in einem Netz von Verstecken im Südlibanon verteilt worden - eingeteilt in zahlreiche örtliche Kommandozonen, die unabhängig voneinander operierten. «Sie haben Tunnel gegraben, Bunker gebaut, Nachrichtensysteme installiert, sie arbeiten mit mobilen Telefonen, Radios und Kurieren», zitiert die «New York Times» einen namentlich nicht genannten US-Nahostexperten. Die Hisbollah-Kämpfer seien zudem nicht an Uniformen zu erkennen, und «sie hantieren nur im Augenblick der Attacke mit ihren Waffen. Dann verschwinden sie. Es ist unmöglich, ihre Angriffe zu verhindern».
Auch Biddle spricht von von einer «modernen Form klassischer Guerilla-Taktiken des Zuschlagens und Verschwindens». Das und die Tatsache, dass die Hisbollah praktisch unsichtbar in die Bevölkerung eingebettet sei, erkläre, warum es Israel so schwer habe, der Hisbollah entscheidende Schläge zuzufügen. Krieg einer Nation gegen eine gut organisierte und ausgerüstete in kleinen Einheiten operierende Guerilla-Gruppe - das US-Militär hat schon einen Namen dafür: «net war» - Krieg gegen ein Netzwerk. «Wir sehen den ersten größeren Krieg dieser Art», zitiert die «New York Times» John Arquilla von der Naval Post Graduate School in Monterey. Biddle ist pessimistisch, was den Ausgang betrifft. Nach seiner Erwartung ist die Hisbollah militärisch nicht zu schlagen.
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