
Deutsche Presse-Agentur - Europadienst March 17, 2005
Gemischte Bilanz in den USA zwei Jahre nach Beginn des Irak-Krieges
Von Hans Dahne, dpa
Zwei Jahre nach Beginn des Krieges stehen die USA aus Sicht des Militaerexperten John Pike im Irak immer noch eher "am Anfang als am Ende". Dagegen lobt US-Praesident George W. Bush die immensen Fortschritte. Die konstituierende Sitzung des Uebergangsparlaments in Bagdad nennt er einen "Moment der Hoffnung" auf dem Weg zur Demokratie. Eine Umfrage der "Washington Post" belegt, dass die US-Gesellschaft in ihrer Bewertung des Irak-Kriegs tief gespalten ist. Erstmals gab eine Mehrheit von 51 Prozent an, dass sie den Krieg an sich als Fehler einschaetzt.
Sieben von zehn US-Buergern bezeichnen vor allem die Zahl der mehr als 1500 gefallenen und 10 000 verletzten Armeeangehoerigen seit Kriegsbeginn am 20. Maerz 2003 als inakzeptabel. Das US- Nachrichtenmagazin "Newsweek" widmet seine juengste Titelgeschichte den 1043 Kindern in den USA, die einen Elternteil verloren haben. Die Zahl der getoeteten und verletzten irakischen Sicherheitskraefte ist nach Angaben des Pentagon doppelt so hoch.
Verteidigungsminister Donald Rumsfeld gab in einem Interview mit dem US-Nachrichtensenders CNN zu, dass die US-Regierung das Ausmass des Aufstandes im Irak unterschaetzt habe. Nach Angaben des US- Kommandierenden der US-Streitkraefte im Irak, General George Casey, zaehlt die US-Armee in den sunnitischen Unruheprovinzen taeglich 50 bis 60 Anschlaege oder Angriffe. "Das werden wir zu guter Letzt nicht mit militaerischen Mitteln niederschlagen koennen", sagte Casey bei einer Anhoerung im US-Senat.
Fuer Pike duerfte der Irak noch fuer laengere Zeit ein amerikanisches "Protektorat" bleiben. Beim Aufbau der irakischen Sicherheitskraefte sind die USA nach Worten des Experten vom Internet-Portal www.globalsecurity.org weiter entfernt als vor einem Jahr gedacht. Nach neuesten Angaben des Pentagon sollen rund 142 000 Iraker fuer den Armeedienst oder die Polizei ausgebildet und ausgeruestet worden sein. Die Untersuchungs- und Pruefstelle des US-Kongresses haelt diese Zahl fuer "uebertrieben".
Auch die "Koalition der Willigen" broeckelt. Von ehemals 38 Laendern sind derzeit noch 27 Laender mit 22 000 Soldaten dabei. Weitere vier Laender haben ihren Truppenabzug angekuendigt, Italien dazu seine Absicht erklaert. Militaerexperte Pikes schaetzt, dass zum Ende der Amtszeit von Bush im Januar 2009 die USA noch 50 000 ihrer derzeit 138 000 Soldaten im Irak stationiert haben.
Bush weist immer wieder darauf hin, dass bislang alle Zeitplaene von der Machtuebergabe an die Uebergangsregierung Ende Juni 2004 bis zu den Parlamentswahlen in diesem Januar eingehalten worden seien. Die Ausarbeitung einer Verfassung, ein Referendum darueber sowie neue Wahlen im Dezember sind die naechsten Schritte.
Das Pentagon und das Aussenministerium schreiben in einer Erfolgsbilanz, im Irak sei das groesste Hilfsprogramm der USA seit dem Marshall-Plan zum wirtschaftlichen Aufbau in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Weg. Derzeit sind fuer 2000 Projekte rund fuenf Milliarden Dollar (3,72 Milliarden Euro) investiert worden. Aus dem Erdoelexport hat die irakische Regierung seit Juni 2003 den Angaben zufolge rund 18 Milliarden Dollar eingenommen. In einem Bericht an den Kongress raeumt das Aussenministerium ein, dass es Mangel an Erdoelprodukten im Irak gebe.
Mehr als 2405 Schulen wurden nach Angaben der staatlichen Hilfsorganisation USAID in Stand gesetzt und 8,7 Millionen Schulbuecher gedruckt. Fuenf Millionen Kinder wurden gegen Kinderkrankheiten geimpft und 110 Gesundheitszentren eroeffnet. Im Irak erscheinen den Angaben zufolge mehr als 300 Zeitungen. Im letzten Vierteljahresbericht des Aussenministeriums an den Kongress heisst es, dass der Aufstand und Terrorismus die groessten Herausforderungen fuer den Wiederaufbau im Irak blieben.
Wegen der Entfuehrungen und grausamen Toetungen ist eine freie Berichterstattung im Irak derzeit unmoeglich. Nach Angaben der Internationalen Journalisten-Foederation sind seit zwei Jahren 70 Journalisten und Medienangehoerige im Irak getoetet worden. dpa da xx ne
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