
Stuttgarter Nachrichten January 20, 2005
Explosives Spiel der Mullahs
Überprüfung des iranischen Atomprogramms stößt auf Widerstand
By Winfried Weithofer
Washington/Teheran - Über einen Krieg gegen den Iran wird in den USA schon seit langem diskutiert. Schon Präsident Bill Clinton ließ in den 90er Jahren prüfen, ob ein Waffengang für die USA machbar sei.
Der Iran ist seit 1979, dem Jahr der islamischen Revolution, Erzfeind der Vereinigten Staaten. Damals stürmten hunderte muslimische Extremisten die amerikanische Botschaft in Teheran und nahmen 66 Menschen als Geiseln. Revolutionsführer Ajatollah Khomeini billigte die völkerrechtswidrige Aktion. Erst nach 444 Tagen kamen die Geiseln frei. Die Beziehungen kamen seither nie mehr in Ordnung. Vor drei Jahren sprach US-Präsident George W. Bush mit Blick auf den Irak, den Iran und Nordkorea von der "Achse des Bösen".
Tatsächlich ist die Bereitschaft des Regimes in Teheran zur Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft nicht besonders ausgeprägt. Seit langem ist es ein offenes Geheimnis, dass Teheran radikale Palästinensergruppen in ihrem Kampf gegen Israel unterstützt. Zudem konnte sich der im Westen oft als weltoffen und reformorientiert gepriesene Präsident Chatami nie entscheidend gegen die reaktionären Mullahs durchsetzen. Das Sagen im islamischen Staat hat der geistliche Führer, Ajatollah Chamenei.
Als im Februar 2003 bekannt wurde, dass Teheran ein Atomwaffenprogramm betreibt, läuteten im Westen die Alarmglocken. In Europa und noch mehr in den USA wollte niemand so recht glauben, dass dieses Programm, wie von Teheran behauptet, nur friedlichen Zwecken dient. Erst nach einer Vermittlungsaktion der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens im Herbst 2003 war der Iran bereit, Details seiner Atomforschung preiszugeben.
Zwar unterschrieb die Teheraner Regierung Ende 2003 das Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag, das den Ingenieuren der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) jederzeit den Zugang zu deren Nukleareinrichtungen ermöglicht. Doch diese Inspektionen förderten immer wieder neue und oft widersprüchliche Informationen zu Tage, die die IAEO an der Aufrichtigkeit der Iraner zweifeln ließ. Auch wird den Inspektoren bis heute nicht überall Zutritt gewährt. "Der Iran hat zu lange versucht, die Welt zu täuschen", hieß es im Oktober am Sitz der Organisation in Wien.
Unbestritten ist inzwischen, dass iranische Atomforscher in den vergangenen Jahren zusammenkauften, was zur Anreicherung von Uran nötig ist. Die IAEO fand unter anderem Zentrifugen aus pakistanischen Beständen. Grundsätzlich will Teheran auf die Urananreicherung nicht verzichten. Die Tatsache, dass iranische Ingenieure die Mittelstreckenraketen weiterentwickeln, sorgte für weitere Besorgnis.
Die USA betrachten die Verhandlungen zwischen der EU-Troika und Teheran über das Atomprogramm mit Skepsis. In Washington würde man einer Behandlung des Themas im Uno-Sicherheitsrat den Vorzug geben, der Sanktionen verhängen könnte.
Als Schutzmacht Israels wollen die USA mit aller Macht verhindern, dass der Iran zu einer Atommacht wird. Insofern kommen die Enthüllungen des amerikanischen Starreporters Seymour Hersh nicht überraschend. Nach dessen Erkenntnissen haben geheime US-Kommandos in den vergangenen Monaten mögliche Angriffsziele im Iran ausgekundschaftet - rund drei Dutzend Chemie- und Nuklearanlagen sowie Raketenabschussbasen. Am Dienstag verkündete US-Präsident George W. Bush, eine militärische Option sei nicht ausgeschlossen. "Bush tut, was er tun will", meinte Hersh, der ein scharfer Kritiker des Präsidenten ist.
Politische Beobachter glauben nicht, dass in Washington bereits eine Entscheidung für einen Militärschlag gegen den Iran gefallen ist, doch eine Vorstufe ist erreicht. Der Verteidigungsexperte und Direktor des Instituts GlobalSecurity.org, John Pike, erklärte: "Ich denke, sie werden es tun. Ich bin skeptisch, ob Diplomatie erfolgreich sein kann." Die Bush-Berater seien davon überzeugt, dass die Machtbasis der Mullahs brüchig ist. "Und sie sind sicher, dass man bald zuschlagen sollte." Andere Experten halten dagegen, dass sich die USA wegen des Irak-Einsatzes militärisch schon zu sehr verausgabt hätten. Und Großbritannien, engster Verbündeter der USA, will den Konflikt nur auf diplomatischem Weg lösen.
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