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Spiegel Online December 10, 2004

Raetselraten um mysterioeses Ruestungsprojekt

By Markus Becker

Der US-Kongress will eine gewaltige Summe fuer ein hochgeheimes Militaerprojekt ausgeben. Oppositionelle Senatoren sprachen in einer ungewoehnlich heftigen Reaktion von einer "Bedrohung fuer die nationale Sicherheit". Experten argwoehnen, dass es sich bei dem Projekt um bewaffnete Satelliten handelt.

Jay Rockefeller bemuehte sich nicht um Zurueckhaltung. Was der US-Kongress da vorhabe, sei nicht nur "total ungerechtfertigt und aeusserst verschwenderisch", sondern auch "eine Bedrohung fuer die nationale Sicherheit".

Was Rockefeller, Chefunterhaendler der Demokratischen Partei im Geheimdienstausschuss des Senats, dermassen in Rage versetzte, ist ein suendhaft teures Spionage-Programm. Das war allerdings auch schon alles, was an Informationen ueber das Projekt an die Oeffentlichkeit gelangt ist. Das Vorhaben ist so geheim, dass es bisher nur Mutmassungen ueber seine wahre Beschaffenheit gibt.

Rockefeller und drei weiteren demokratische Senatoren war es immerhin Anlass genug, dem zuvor muehsam ausgehandelten Kompromiss ueber die kuenftigen Aktivitaeten der US-Geheimdienste ihre Zustimmung zu verweigern. Trotz des Widerspruchs hat der Kongress den Gesetzestext fuer die kommenden beiden Jahre abgesegnet, sagte Rockefeller der Nachrichtenagentur AP.

Spekulationen um Rockefellers Worte

Derart scharfe Kritik an einem hoch geheimen Projekt, noch dazu in aller Oeffentlichkeit, ist in Washington ein aeusserst ungewoehnlicher Vorgang. Entsprechend interessiert reagierten unabhaengige Experten. Rockefeller hatte durchblicken lassen, dass das Vorhaben "gross angelegte oeffentliche Finanzierung" benoetige, was auf Kosten von mehreren Milliarden Dollar schliessen lasse. "Bei einem solchen Preis handelt es sich nahezu mit Sicherheit um ein Satellitenprogramm", sagte James Bamford, Autor zweier Buecher ueber den US-Geheimdienst National Security Agency.

Und um normale Spionagesatelliten gehe es wahrscheinlich nicht. Es sei "kaum denkbar", sagte Spionagetechnik-Fachmann Jeffrey Richelson, dass ranghohe Politiker die ueblichen Spaehsatelliten als Gefahr fuer die nationale Sicherheit brandmarken wuerden.

Bewaffnete Himmelskoerper kaemen da schon eher in Frage. 2001 hatte ein parlamentarischer Ausschuss die amerikanischen Militaersatelliten als aeusserst verwundbar bezeichnet und gewarnt, dass Technologien fuer offensive Weltraum-Waffen auf dem Weltmarkt leicht verfuegbar seien. In dem Gremium sass auch der spaetere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Seine Warnung vor einem "Pearl Harbor im Weltraum" im Bericht des Ausschusses wurde beruechtigt.

Experten argwoehnen deshalb, die Regierung wolle die alten Plaene von bewaffneten Satelliten nun in die Tat umsetzen. "Selbst ein Satellit mit ausschliesslich defensiven Waffen koennte ein Wettruesten im All ausloesen", warnte John Pike, Direktor des Washingtoner Thinktanks GlobalSecurity.org. Andere Staaten wuerden umgehend Beweise dafuer verlangen, dass die Waffen nur defensiv benutzt werden koennten.

Warnung vor dem Weltraum-Wettruesten

Allerdings wuerde die US-Regierung niemals Einblick in amerikanische Satellitentechnik gewaehren. Andere Regierungen, glaubt Ruestungsexperte Pike, koennten sich deshalb gezwungen sehen, ihrerseits offensive Waffen im Weltraum zu stationieren.

Es waere nicht der erste Versuch der US-Regierung, im Orbit aufzuruesten. Bereits im Juni dieses Jahres wollte das Pentagon das "Near Field Infrared Experiment", kurz NFIRE, starten. Erstmals waere ein Satellit im All stationiert worden, der feindliche Satelliten haette bekaempfen koennen. Nach heftiger Kritik im US-Kongress erwaegt das Pentagon nun eine Entschaerfung des Projekts, dessen Start sich damit auf Mitte 2005 oder sogar Ende 2006 verschieben wuerde.

Die US-Luftwaffe verfuegt indes schon ueber die Faehigkeit, feindliche Satelliten auszuschalten - allerdings vom Boden aus. Nahezu unbemerkt von der Oeffentlichkeit wurde Anfang dieses Jahres das "Counter Satellite Communications System" in Dienst gestellt. Auf Knopfdruck gehen bei Kommunikationssatelliten potenziell feindlicher Staaten die Lichter aus.


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