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Financial Times Deutschland April 07, 2004

US-Armee rückt gegen Schiiten-Miliz vor

Die US-Truppen in Irak haben offenbar mit einer Offensive gegen die Miliz des radikalen schiitischen Predigers Muktada al-Sadr begonnen. Die Miliz kontrolliert ein Teil von Bagdad und mehrere Ortschaften.

Bei einem groß angelegten Angriff der US-Armee im sunnitischen Westirak sind am Mittwoch mehr als 100 Menschen getötet worden. Allein in der Widerstandshochburg Falludscha zählten Krankenhausärzte rund 70 Tote und etwa 200 Verletzte. Augenzeugen berichteten, die US-Armee habe am Nachmittag das Gelände einer Moschee in Falludscha mit "F-16"-Kampfjets bombardiert. Die Moschee wurde nach Angaben eines dpa-Mitarbeiters völlig zerstört.

Ziel der Streitkräfte ist nach Angaben des US-Kommandos die "Mahdi-Armee" des radikalen schiitischen Predigers al-Sadr. "In den zentralen und südlichen Regionen Iraks laufen Einsätze der Koalitionstruppen und irakischer Sicherheitskräfte, um die Mehdi-Miliz zu zerstören", sagte ein Armeesprecher. Mindestens 130 Menschen sind seit Sonntag bei Gefechten zwischen Soldaten der Koalition und der Miliz getötet worden.

"Wir tragen den Kampf an den Feind heran", sagte der US-Militärsprecher in Irak, General Mark Kimmitt, am Mittwoch in Bagdad. "Wir gehen zielgerichtet, präzise und machtvoll vor." Die US-Regierung betonte ihren Willen, ihre bisherige Irak-Politik fortzusetzen. "Unsere Entschlossenheit ist unerschütterlich, und wir werden uns durchsetzen", sagte ein Sprecher von US-Präsident George W. Bush.

Al-Sadr hatte angekündigt, die schiitischen Rebellen würden ihren Kampf gegen die Besatzungstruppen solange fortsetzen, bis diese das Land verlassen. Der Aufstand der radikalen Schiiten erstreckt sich vom britisch kontrollierten Basra im Süden des Landes über das unter spanischer und italienischer Kontrolle stehende Kernland der Schiiten bis nach Bagdad hinein.

General Kimmit widersprach Vorwürfen, die laufenden Militäroperationen gegen schiitsche Milizen und sunnitische Aufständische würden unverhältnismäßig viele zivile Opfer fordern. "Wir nehmen extreme Mühen auf uns, um zivile Ziele auszusparen", sagte er. Anders lautende Medienberichte bezeichnete er als "überzogen".

US-Truppen kämpfen an zwei Fronten

Das Vorgehen der Amerikaner stieß in vielen Landesteilen Iraks auf heftige Kritik. Bei einer gewalttätigen Demonstration in der nordirakischen Kleinstadt Howeidscha starben zehn Iraker und ein US-Soldat. Das berichteten Polizisten und Krankenhausärzte in der rund 35 Kilometer südwestlich von Kirkuk gelegenen Ortschaft. In der Schiiten-Stadt Kerbela wurden nach Augenzeugenberichten fünf iranische Pilger getötet, als polnische Soldaten das Feuer auf den Kleinbus der Iraner eröffnet hätten.

Warnung vor Bürgerkrieg

Der Direktor des Deutschen Orient-Instituts in Hamburg, Udo Steinbach, warnte vor einem Bürgerkrieg in Irak. Die Situation gerate mehr und mehr außer Kontrolle. Der Konflikt werde zwar zunächst eine Auseinandersetzung mit den Amerikanern sein, sich dann aber möglicherweise zu einem Bürgerkrieg entwickeln.

"Ich rechne damit, dass es einen Bürgerkrieg gibt, der ausgetragen wird im Wesentlichen zwischen der schiitisch-arabischen Mehrheit, der sunnitisch- arabischen Minderheit und dann mehr und mehr den Kurden", sagte Steinbach. Er warf den USA vor, dass sie zu lange gezögert hätten, "in Irak Normalität zurückkehren zu lassen". Nun übernähmen die Radikalen "die selbst gestellte Aufgabe, das Land einmal mehr zu befreien".

© Illustration: FTD/am; globalsecurity.org


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