
Süddeutsche Zeitung December 18, 2003
Die Krise im Irak: Amerika startet eine neue Offensive - der Terror geht weiter Zehn Tote bei Anschlag
Mit Sprengstoff beladener Lastwagen in Bagdad explodiert
Bagdad (AP/AFP/dpa) - Die Anschlagserie im Irak dauert auch nach der Verhaftung des früheren Diktators Saddam Hussein an. Mindestens zehn Menschen wurden am Mittwoch getötet, als in Bagdad ein mit Sprengstoff beladener Lastwagen explodierte. Weitere 20 Menschen seien verletzt worden, teilte der stellvertretende irakische Innenminister Ahmed Kadhim Ibrahim mit. Die Polizei sprach von 16 Toten und 15 Verletzten. Der Lkw sei auf eine Polizeiwache im Stadtteil El Bajaa zugerast, auf der Kreuzung davor aber mit einem Bus zusammengestoßen, sagte Ibrahim. Er machte für den Anschlag Anhänger Saddam Husseins verantwortlich: "Sie versuchen, den feigen Führer zu rächen." Die Polizeistation in dem Armenviertel war bereits mehrmals das Ziel von Anschlägen. Vor fünf Tagen verließen nach einem Granatenanschlag amerikanische Soldaten die Wache. Die irakischen Polizisten hatten darum gebeten, weil sie vermuteten, die US-Präsenz provoziere Anschläge.
Die amerikanische Armee startete am Mittwoch eine große Militäroffensive in der sunnitischen Rebellenhochburg Samarra, rund 120 Kilometer westlich von Bagdad. Durch den Einsatz sollten Anhänger der alten Regierung und andere Aufständische "isoliert und ausgeschaltet" werden, teilte die Armee mit.
Der ehemalige Diktator wird nach Angaben des irakischen Regierungsrats noch immer im Großraum Bagdad festgehalten. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld betonte zwar, Saddam Hussein bleibe weiter in Obhut des amerikanischen Militärs. Bei der Befragung des einstigen Präsidenten soll aber CIA-Chef George Tenet die Federführung übernehmen. Es ist das erste Mal, dass die US-Regierung öffentlich zugibt, die CIA bei Verhören gefangener ausländischer Führer einzuschalten. "Das hat es noch nie gegeben", sagte Geheimdienstexperte John Pike.
Die US-Regierung ließ unterdessen auch nach der deutsch-französischen Bereitschaft zu einem "substanziellen Schuldenerlass" für den Irak offen, welche Länder für Milliardenaufträge zum Wiederaufbau des Landes in Frage kommen. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte, die beteiligten Behörden müssten sich darüber noch abstimmen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan, sagte: "Wir haben deutlich gemacht, dass die Dollars der US-Steuerzahler in die Staaten fließen sollten, die an der Befreiung des irakischen Volks beteiligt waren und die ihm helfen, eine freie und friedliche und erfolgreiche Zukunft aufzubauen, und auch an den Irak." Sollten sich weitere Staaten den Bemühungen von etwa 60 Ländern und des irakischen Volks um einen Wiederaufbau anschließen wollen, könnten sich die Umstände ändern.
GRAFIK: Operation Blizzard: Amerikanische Soldaten der 4. Infanteriedivision durchsuchen einen Laden im Industrieviertel der irakischen Stadt Samarra. Anders als erhofft, fanden sie dort allerdings keine Waffen. - Foto: Reuters
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