
Die Welt August 9, 2003
Warum die US-Militärs weiter auf Brandbomben setzen
Mit Benzin oder Kerosin: Seit dem Zweiten Weltkrieg vertraut die US-Armee auf Brandwaffen mit Napalm. Gegen ihr Verbot wehren sich US-Regierungen seit über 20 Jahren
von Oliver Haustein-Teßmer
Berlin - Hunderte von Brandbomben hat die US-Armee nach Angaben der unabhängigen Militärexperten der US-Denkfabrik Globalsecurity.org vor dem Irakkrieg am Persischen Golf gebunkert. Auf den Einsatz dieser Waffen mögen die Strategen selbst nach Korea und Vietnam nicht verzichten.
Mindestens einmal warfen US-Marineflieger eine MK-77-Bombe, eine Weiterentwicklung der im Vietnamkrieg verwendeten Napalmbombe, auf irakische Posten nahe der kuwaitischen Grenze ab, wie ein Mitarbeiter des US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld am vergangenen Donnerstag einräumte. Die US-Zeitung "San Diego Union Tribune" berichtet sogar von Dutzenden Angriffen entlang des Flusses Trigris, um den Weg nach Bagdad freizumachen.
"Brandbomben haben ein bedeutendes militärisches Potenzial, insbesondere im Hinblick auf bestimmte militärische Ziele höchster Priorität", begründen die Verfasser einer Analyse des US-Verteidigungsministeriums die Entscheidung für solche Waffen.
In dem Papier geht es darum, die Folgen einzuschätzen, welche die UN-Waffenkonvention mit ihren Zusatzprotokollen für die militärischen Optionen der USA hätte (Convention on Prohibitions or Restrictions of the Use of Certain Coventional Weapons, kurz: CCW).
"Geringerer Kollateralschaden"
Letztlich empfahlen die Fachleute im Pentagon der US-Regierung unter Präsident Bill Clinton, das dritte Protokoll über das Verbot von Brandwaffen zu akzeptieren. Dabei sollten sich die Vereinigten Staaten aber das Recht vorbehalten, Brandbomben gegen militärische Ziele, die mitten unter Zivilisten befinden, einzusetzen - "wo entschieden wird, dass der Einsatz zu weniger Verlusten und geringerem Kollateralschaden führen würde als alternative Waffen".
Bislang haben die USA das Brandwaffen-Protokoll von Genf, dass die US-Diplomaten 1982 mit unterzeichneten, nicht ratifiziert. Daraus erklärt die sich die heutige Sichtweise im Pentagon: Dessen Sprecher erklärte am vergangenen Donnerstag erklären, es gebe keine internationale Konvention, die den Einsatz von Brandbomben verbiete. Weltweit 90 Staaten haben sich dagegen rechtlich verpflichtet, auf den Einsatz von Brandbomben weitgehend zu verzichten (siehe den verlinkten Artikel "Was das Brandwaffen-Protokoll verbietet").
Das Brandwaffenprotokoll konkretisiert die ältere Erste Genfer Konvention von 1949. Darin werden Waffen von der Verwendung im Krieg ausgeschlossen, "die überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden verursachen können". Im Vierten Genfer Abkommen heißt es weiter, dass die Krieg führenden Parteien niemals Zivilpersonen angreifen dürfen.
Genfer Konventionen in Vietnam gebrochen
Diese beiden Vereinbarungen zumindest haben die USA akzeptiert und wie im Vietnamkrieg seit dem Einmarsch ihrer Bodentruppen von 1965 bis 1973 gebrochen. Damals töteten oder verletzten Napalm-Brandbomben Soldaten und Zivilisten, die Angriffe zerstörten Wälder, Äcker und zum Teil ganze Dörfer.
Obwohl das Verbot von Napalm seitdem nicht explizit in den internationalen Rechtskanon aufgenommen worden ist, gilt die 1942 erfundene Waffe spätestens seit Vietnam als international geächtet. Das Pentagon hat indes bestritten, dass es sich bei denen im letzten Krieg gegen den Irak eingesetzten Brandbomben um Napalm handelte.
Die chemische Zusammensetzung sei unterschiedlich; es seien zwei verschiedene Waffen mit ähnlich destruktiven Merkmalen, zitierte die "Süddeutsche Zeitung" am Samstag einen US-Militärsprecher.
US-Experten: Neue US-Brandbombe ist identisch mit Napalm
Die Fachleute von Globalsecurity.org widersprechen dieser Darstellung. Die mit Kerosin befüllte "MK 77 Mod 5"-Brandbombe hätten eine im Vergleich mit den früheren Napalmbomben des Typs MK 77 "identische Funktion", heißt es in ihrer Analyse. Statt eines Gemischs mit Benzin und Benzol wie im bis 2001 vorgehaltenen Modell vier werde im "MK 77 Mod 5" das Flugbenzin Kerosin verwendet.
Auch der Chemiker unterscheidet Napalm nicht anhand der vermischten Treibstoffe: Das Natriumpalmitat, die Zusammensetzung aus Bestandteilen der in Erdöl enthaltenen Naphthensäuren und des Palmöls, lasse sich in Benzin und Kerosin gleichermaßen lösen. Resultat: Die Füllung der Brandbomben sei zähflüssig haftend, gut brennbar und entwickele dabei auf einem Punkt extrem hohe Temperaturen, wie der Bielefelder Professor Rüdiger Blume seinem "Bildungsserver für Chemie" erläutert.
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