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Spiegel Online March 28, 2003

Saddams Lebensversicherung

By Markus Deggerich

Sie sind das beste, was Iraks Diktator aufzubieten hat: die Republikanischen Garden und die Fedajin. Angeblich zwingen Saddam Husseins Elitetruppen unwillige Militaers zum Kampf - indem sie Familienangehoerige als Geiseln nehmen und den Soldaten selbst mit dem Tod drohen.

Berlin - Nach fast einer Woche Krieg haben massive Luftangriffe auf die Republikanische Garde und andere Machtpfeiler Saddam Husseins das irakische Regime jedoch nicht zum Wanken gebracht. Das Ziel der Alliierten, einen Kampf um Bagdad durch eine fruehe Kapitulation der Regierung zu vermeiden, wurde verfehlt. Jetzt droht eine Schlacht zwischen den anrueckenden US-Truppen und der von Saddam Husseins Sohn Kusai gefuehrten Republikanischen Garde, ergaenzt durch die Selbstmordattentaeter, der Fedajin.

Der irakische Praesident Saddam Hussein baut auf seine Republikanische Garde. Angehoerige der 1980 gegruendeten Elite-Truppe bekommen die beste Ausruestung, die beste Ausbildung, die beste Bezahlung und die besten Wohnungen. Diese Bevorzugung soll sicherstellen, dass die Garde bereitsteht, wenn es Saddam Husseins Leben zu schuetzen gilt.

Verteidigungsguertel rund um Bagdad

Am Donnerstag sammelten sich die amerikanischen Streitkraefte rund 80 Kilometer suedlich von Bagdad in der Naehe der Staedte Nadschaf und Kerbela, um den Angriff auf die Hauptstadt vorzubereiten. Doch die Offensive gegen die Hauptstadt soll vermutlich erst beginnen, wenn die immer noch umkaempften Staedte im Sued-Irak erobert sind. Der in Augen der USA unerwartet heftige Widerstand, zwingt die Angreifer zum Umdenken.

Gleichzeitig holte der Irak zum Gegenschlag aus: Amerikanische Aufklaerer meldeten Truppenbewegungen eines Konvois von 1.000 Fahrzeugen und rund 5.000 Soldaten der Republikanischen Garde. Vermutlich sollten sie amerikanische Marine-Infanteristen am Ufer des Euphrat angreifen oder Barrieren errichten, um den Vormarsch der Amerikaner aufzuhalten.

Die Republikanische Garde bekommt zwar die beste Ausruestung, ueber die der Irak verfuegt - aber das ist nach Einschaetzung von Experten sehr wenig. Nach zwei Kriegen und dem nach dem Ueberfall auf Kuwait 1990 verhaengten Handelsembargo gilt die Ausstattung der gesamten irakischen Streitkraefte als schlecht. Der amerikanische Militaer-Experte und Irak-Spezialist Anthony Cordesman nimmt an, dass die Republikanische Garde nur noch 65 bis 75 Prozent ihrer einstigen Schlagkraft besitzt.

70 Prozent Kampfkraft

Schon seit Tagen bombardieren amerikanische und britische Kampfflugzeuge gezielt Stellungen der Elitetruppe suedlich von Bagdad, um deren Widerstand zu brechen. Doch die Mitglieder der Garde - nach Schaetzungen des amerikanischen Forschungsinstituts GlobalSecurity sind es 50.000, anderen Quellen zufolge 100.000 - haetten bei einem Sturz Saddam Husseins viel zu verlieren. Junge Gardesoldaten bekommen ein Einstiegsgehalt von 80.000 Dinar (38 Euro), acht Mal so viel wie ein Beamter mit Hochschulabschluss verdient. Zudem erhalten sie schicke Grundstuecke, extragrosse Essensrationen und fuer ihre Kinder eine kostenlose Krankenversorgung und Ausbildung.

Nicht nur wegen ihrer Privilegien gilt die Republikanische Garde als Saddam Hussein treu ergeben. Sie rekrutiert sich auch fast ausschliesslich aus den Clans und Familien rund um Tikrit, der Heimatstadt von Saddam Hussein. Doch der irakische Regierungschef vertraut niemandem blind: Nach Angaben des ehemaligen irakischen Offiziers Ahmed Radhi, der jetzt im Exil lebt, werden die Kommandeure der Garde von Geheimagenten Kusai Husseins ueberwacht.

Wie Radhi weiter berichtet, schickte Saddam Hussein vor Kriegsbeginn einige Einheiten der Garde in Gegenden, wo sie sich auf Bauernhoefen oder in Obstgaerten verstecken koennen. Ihre Taktik bestehe darin, Kaempfe auf offenem Schlachtfeld zu vermeiden und die US-Truppen stattdessen in Strassenkaempfe in Wohngebieten zu verwickeln oder mit Guerillaaktionen zu attackieren.

Kugel von vorn oder hinten

Mit Kritikern, Deserteuren oder "unmotivierten" Kaempfern machen die Garden kurzen Prozess. Das ist in der irakischen Armee bekannt. Mehr als das Leben kann man auch im Kampf gegen Amerikaner und Briten nicht verlieren. So lange Saddams Unterdrueckungsapparat funktioniert, haben normale Armeeangehoerige oft nur die Wahl zwischen einer amerikanischen Kugel von vorne oder einer irakischen von hinten.

Nach Angaben britischer und amerikanischer Militaersprecher werden irakische Zivilisten unter Todesdrohungen von paramilitaerischen Einheiten zum Kampf gezwungen. Der Sprecher des US-Kommandos Mitte, Jim Wilkinson, behauptete am Donnerstag, US-Kommandeure rund um die Stadt Nadschaf im Sueden des Landes haetten derartige Vorfaelle gemeldet. Die Milizen wuerden auch Kinder ergreifen.

Der britische Luftwaffengeneral Brian Burridge berichtete zudem, Anhaenger von Staatschef Saddam Hussein haetten irakische Rekruten und regulaere Soldaten bei Basra zum Kaempfen gezwungen und fuer den Fall der Weigerung gedroht, sie oder ihre Familien zu toeten. Nach Angaben des britischen Militaersprechers Al Lockwood sassen in den Panzern, die aus Basra ausbrechen wollten, Soldaten, deren Familien bedroht wurden: "Die Milizen gehen offensichtlich in die Haeuser der Leute und zwingen die Maenner, die Fahrzeuge zu fahren, um die Flucht aus Basra anzufuehren. Sie zwingen sie zu diesen Handlungen. Wir haetten es lieber, sie wuerden sich ergeben." Die Informationen der USA und der Briten sind aber nicht ueberpruefbar.

Die Republikanischen Garden und Fedajin sollen angeblich auch jene Kaempfer sein, an die Saddam Hussein chemische Kampfstoffe ausgibt. Angeblich hat die irakische Fuehrung um Bagdad eine Art "rote Linie" gezogen. Wenn diese Bannmeile ueberschritten werde, duerften die Elitetruppen Giftgas einsetzen.

US-Aussenminister Colin Powell will auch ueber Geheimdienstinformationen verfuegen, laut derer die Iraker bereit waeren selbst eigene Zivilisten zu vergasen und den Angriff dann den USA zuzuschreiben. Aber auch fuer diese Information gibt es nur eine Quelle: das kriegfuehrende Pentagon.


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