
SonntagsZeitung March 23, 2003
Der Wahrheit im Irak-Krieg auf der Spur
Eine Vielzahl von Websites berichtet kritisch und ungefiltert ueber die Schrecken des Waffenganges
By Roberto Zimmermann
Auf ueber 200 Millionen Franken schaetzen die grossen amerikanischen Fernsehsender ihre Kosten, um bis zum Kriegsende bewegte Bilder aus dem Irak in die Welt zu schicken. Das gesamte Material wird allerdings von der US-Armee zensiert. Die Journalisten muessen sich an einen Vertrag halten, der in 50 Paragrafen haargenau festlegt, was sie zeigen und tun duerfen, und was nicht. Nur gerade 750 Franken pro Monat kostet die Website "Informationclearinghouse.info" eines Kaliforniers namens Tom. Dort stellt der kritische Amerikaner dem gefilterten Nachrichtenstrom taeglich kritische Artikel und Nachrichten ueber den Krieg der Bush-Regierung entgegen. Zu lesen gibt es etwa die Analyse des Vize-Chefredaktors des "Atlanta Journal -Constitution" Jay Bookman ueber die wahren Ziele der US-Regierung: eine von ihr diktierte Weltordnung. Und weil Tom selbst keine Kameraleute hat, setzt er einen Link zur britischen Nachrichtenagentur Reuters dazu, die ungeschnittenes Videomaterial zum Irak-Krieg zeigt (Reuters.com).
Toms Clearinghouse gehoert zu der wachsenden Zahl von Internetpublikationen, die versuchen, eine alternative Sicht auf das Kriegsgeschehen zu ermoeglichen. Teils beschraenken sie sich auf Linksammlungen zu aktuellen Berichten, teils verfassen sie selber Arti kel und publizieren sie. Dazu gehoe ren "Waroniraq.org", Media Workers Against War (http://www.mwaw.org/) und "Indymedia.org". Sie alle wollen mit der Veroeffentlichung von moeglichst vielen, unterschiedlichen Informationsquellen verhindern, dass die Wahrheit das erste Opfer des Krieges wird.
Dieses Ziel verfolgt auch "Disinfopedia.org": Die Website wird von Journalisten und Akademikern betrieben, welche die PR- und Marketingbranche beleuchten. Noch vor Beginn des Irak-Kriegs richteten sie ein Diskussionsforum zum Thema "Weapons of mass deception"(etwa: Massentaeuschungswaffen) ein. Bei Disinfopedia geht es darum, die wahren Gruende und Motive fuer den Krieg, unter anderem in Foren, zu diskutieren.
Kritische Analysen der Kriegsstrategien ermoeglicht die US-Website "Globalsecurity.org". Sie bringt Stellungnahmen aller Seiten, publiziert Links zu amerikanischen wie irakischen Sites, zu Kriegsgegnern wie -befuerwortern. Globalsecurity ist betont nicht antiamerikanisch, sondern hat laut eigenen Angaben das langfristige Ziel, gewalttaetige Konflikte zu minimieren.
Aktuelle Berichte zum Irak-Krieg von unerwarteter Seite veroeffentlicht die britische Site "Newsnow.co.uk". Artikel von US-kritischen Zeitungen wie dem britischen "Guardian" stehen hier neben Meldungen aus den USA, saudiarabische Texte neben solchen von chinesischen Journalisten. Arabische Websites auf Englisch sind nicht weniger vielfaeltig: Stimmen fuer die Invasion ("Iraqfoundation.org") finden sich genauso wie US-kritische ("Arabicnews.com") und offene Plattformen wie "Albawaba.com", die derzeit von Besuchern foermlich ueberrannt wird.
Eine sehr gute Info-Plattform mit aktualisierten Links gibt es auch in deutscher Sprache bei "Journalismus.com" (www.journalismus.com/irak/ irakkrieg_2003/index.html). Die Website "Telepolis.de" liefert vertiefte Analysen. Sie hat dazu ein Irak-Dossier eingerichtet, in dem taeglich offizielle Reden, Berichte und Zahlen hinterfragt werden.
Nur an einer Zahl ist "Iraqbodycount.net" interessiert: Die Website zaehlt, wie viele Menschen im Krieg tatsaechlich umkommen. Der Befehlshaber der US -Streitkraefte Tommy Franks hatte vor Kriegsbeginn klar gemacht, dass ihn diese Ziffer nicht interessiere.
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