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FACTS March 20, 2003

Das Maerchen vom Praezisionskrieg

Von Rainer Klose

Sie ruehmen "intelligente" Waffen wie die Elektronik- und die Blackout-Bombe. Trotzdem verlassen sich US-Militaers auf pure Sprengkraft.

Die schoensten Bilder vom Einschlag der Bomben liefern auch diesmal die US -Militaers, passend zu den Abendnachrichten. Bruecken, Panzer und Radarstellungen zerplatzen geraeuschlos im Fadenkreuz der Zielkamera. Intelligente Waffen, chirurgische Schlaege - das Maerchen vom Praezisionskrieg soll die Wogen der oeffentlichen Meinung glaetten. Nie gab es zartere Methoden, ein Land in die Steinzeit zurueckzuwerfen, als die Elektronik-Bombe HPM (High Power Microwave), von der US-Medien bereits schwaermen. Die Explosion des eine Tonne schweren Sprengkopfs soll nur wenige Splitter und eine geringe Druckwelle erzeugen. Dafuer grillt ein extrem starker Puls von Mikrowellen-Strahlung alles elektronische Geraet im Umkreis von 200 Metern. Autos bleiben stehen, Handys fallen aus, Computerfestplatten zerbraten zu Schrott. Menschen jedoch, so wird spekuliert, kaemen mit leichten Verbrennungen davon. Einziger Nachteil: Vor allem Fernseher und Radios der Zivilisten gehen kaputt - militaerische Funkgeraete sind gegen solcherlei Angriffe meist abgeschirmt.

Sanfter noch als die Elektronik-Bombe trifft die Blackout-Bombe BLU-114 (Bomb Live Unit) die Stromversorgung des anvisierten Landes. Sie wurde erstmals im Kosovo-Feldzug 1999 ueber Trafostationen und Umspannwerken abgeworfen. In einiger Hoehe zerplatzt die Huelle und entlaesst Hunderte von beschichteten Kohlefasern in die Luft. Wie ein Netz legen sich die Fasern ueber die Masten und Leitungen, fuehren zu Ueberlast und Kurzschluessen. Alle Lichter gehen aus, niemand wird verletzt.

Das ganz schwere Arsenal der Amerikaner sorgt dann fuer die Psychologie. Spezialbomben wie die sieben Tonnen schwere "Daisy-Cutter" BLU-87 erschuettern die Kampfmoral. Per Bremsfallschirm wird sie aus einem Transportflugzeug gekippt und erzeugt am Boden einen gewaltigen Donnerschlag, gefolgt von einem Rauchpilz, wie bei einer Atomexplosion. Vier dieser Monster-Bomben wurden im Afghanistan-Feldzug abgeworfen. Noch mehr Angst und Schrecken verspricht man sich vom Nachfolgemodell Moab ("Mother of all Bombs"). Sie ist mehr als zehn Tonnen schwer und kann zur Sicherheit der US-Piloten aus groesserer Hoehe abgeworfen werden. Ein erster Test in Florida verlief vor 14 Tagen erfolgreich.

Doch der Alltag des Irak-Krieges kommt nicht aus den Labors, sondern aus den erprobten Bestaenden von Army, Navy und Air Force. Beim Enthauptungsschlag gegen Saddams Regime bleibt fuer Versuche keine Zeit. "Die Kommandozentralen werden wir einfach platt machen - sicher ist sicher", sagt Piers Wood, Ex-Army -Offizier und heute Analyst beim Ruestungskontrollverein www.globalsecurity.org. "Dieser Krieg wird hoechstens in einer kurzen Phase mit nicht toedlichen Waffen gefuehrt", glaubt Wood.

Was danach kommt, sind Tausende Tonnen von Sprengbomben gegen Radaranlagen, Flugabwehr, Artillerie und Scud- Raketen, gegen Bunker, Versorgungslager oder Bruecken. Immer mehr der urspruenglich "dummen" Sprengbomben werden mit Hilfe von GPS-Satellitennavigationsgeraeten nachtraeglich zu lenkbaren, "intelligenten" Bomben umgeruestet. Der Empfaenger dieser JDAM-Bomben (Joint Direct Attack Munition) steuert die Heckflossen der Bombe und lenkt sie zu den GPS-Koordinaten, die der Pilot eingegeben hat. JDAM-Bomben sind billiger als die Lenkbomben der ersten Generation, die noch per Laserstrahl geleitet wurden. Zudem sind sie unabhaengig vom Wetter, koennen einfacher und in groesseren Mengen abgeworfen werden. Leider ist die Treffergenauigkeit der JDAM deutlich geringer: Hatten 50 Prozent der Laserbomben noch in einem Kreis von drei bis acht Metern um das Ziel eingeschlagen, so trifft die Haelfte der JDAM-Bomben nur einen Kreis von 10 bis 13 Metern um das Ziel. Kein Wunder, dass die Militaers im Zweifel ein wenig mehr abwerfen, um das anvisierte Objekt auch ganz sicher zu zerstoeren.

Lastwagen- oder Panzerkolonnen der Iraker sind durch GPS-gesteuerte Sprengbomben schlecht zu treffen und werden auch diesmal wieder Bekanntschaft mit US-Streubomben machen. Diese sind das genaue Gegenteil von Praezisionswaffen - jede Bombe bestreicht eine Flaeche von neun Fussballfeldern mit toedlichen Bomblets - das sind Mini-Sprengkoerper, die Fahrzeuge samt Besatzungen durchloechern. Im Golfkrieg 1991 war die MK-20 Rockeye die Standard-Streubombe der US-Militaers. 28 000 Stueck davon wurden verschossen. Fuer diesen Krieg wird sie durch Streubomben mit intelligenterem Inhalt ersetzt.

Die Spezialmunition BLU-108 etwa verschiesst aus sich drehenden Zylindern vier runde Mini-Bomblets in der Groesse von Eishockey-Pucks. Diese segeln in weitem Bogen ueber das Gefechtsfeld, erkennen mit einem eigenen Infrarot-Detektor warme Motoren und Auspuffrohre und schiessen ein Projektil in das gerade ueberflogene Ziel.

Die brandneue Panzermunition BAT (Brillant Anti-Armor Technology) ist noch einen Schritt intelligenter: Die einzelnen Gefechtskoepfe loesen sich aus der Streubombe, fahren kleine Fluegel aus und segeln in vorher festgelegte Sektoren des Gefechtsfelds. So wird verhindert, dass alle Geschosse den gleichen Panzer angreifen. Per Infrarot-Detektor wird das Ziel erkannt, angesegelt und mit einer doppelten Sprengladung zerstoert.

Konven-tionell:

Ein F-16-Kampfjet wirft eine Streubombe auf feindliche Panzer.

Kriegs-statistik

Die Todesrate unter Zivilisten wird durch den Einsatz intelligenter Bomben nicht vermindert, wie eine Vergleichsrechnung zeigt:

Im Kosovo-Krieg 1999 wurden 23 000 Bomben abgeworfen, 30 Prozent davon "intelligent". Es starben 500 Zivilisten - also einer pro 46 abgeworfene Sprengkoerper.

Im Afghanistan-Feldzug 2001 fielen 12 000 Bomben, 60 Prozent davon "intelligent". Es starben, nach uebereinstimmenden Schaetzungen, zwischen 1000 und 1300 Zivilisten - also einer pro 12 abgeworfene Sprengkoerper.

Zum Vergleich: Im Vietnam-Krieg warfen die USA um Weihnachten 1972 20 000 Tonnen Bomben ueber Hanoi und Haiphong ab. Das sind rund 40 000 Sprengkoerper. 1600 Zivilisten starben - also einer pro 25 abgeworfene Sprengkoerper.

Quelle: Project on Defense Alternatives, Briefing Report Nr. 11; www.comw.org/pda/0201oef.html

HPM
Die Elektronik-Bombe explodiert und erzeugt einen Mikrowellen-Puls, der alle elektrischen Geraete im Umkreis zerstoert.

BLU-114
Die Blackout-Bombe breitet Kohlefaser-Faeden ueber Stromleitungen aus und sorgt fuer Kurzschluesse.

Moab
Die schwerste konventionelle Bombe schockt mit einem Donnerschlag und einem atombombenaehnlichen Rauchpilz.

JDAM
Ein nachtraeglich montiertes GPS-Navigationssystem macht aus "dummen" Sprengbomben "intelligente" Lenkwaffen.

BLU-108
Die ausgestossene Kleinmunition huepft wie ein Eishockey-Puck ueber das Gefechtsfeld und schiesst Panzer ab.

BAT
Die ausgestossene Munition klappt Fluegel aus, segelt zu feindlichen Panzern und zerstoert sie durch Sprengladungen.


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