300 N. Washington St.
Suite B-100
Alexandria, VA 22314
info@globalsecurity.org

GlobalSecurity.org In the News




Frankfurter Allgemeine Zeitung February 11, 2003

Die Zahlen allein besagen wenig

BRÜSSEL, 10. Februar. Über die streng geheimen Pläne für einen Krieg gegen das Regime Saddam Husseins haben amerikanische Zeitungen so ausführlich berichtet, daß man sich fragen muß, ob die durchgesickerten Einzelheiten nicht Teil der psychologischen Kriegführung sind. Was bekanntgeworden ist, muß deshalb nicht falsch sein. Aber es ergibt mit Sicherheit weder ein vollständiges noch ein korrektes Bild. Für eine militärische Intervention im Irak ist angeblich eine Streitmacht von 250 000 Soldaten aller Waffengattungen geplant - halb so viele, wie die Koalition des Golfkrieges von 1991 hatte. Bis zu 150 000 Männer und Frauen sollen an den Kampfhandlungen teilnehmen. Die Zahlen allein sagen indes wenig. Entscheidend ist die durch den Fortschritt in der Militär- und Kommunikationstechnik wesentlich gesteigerte Kampfkraft der amerikanischen Verbände.

Im Golfkrieg 1991 war nur knapp ein Zehntel der abgeworfenen Bomben Präzisionsmunition. Heute kann an achtzig Prozent aller Bomben in den Arsenalen der Luftwaffe und der Marineflieger mit wenigen Handgriffen ein Steuerungsgerät angebracht werden, das die Sprengladung mittels eines Laserstrahls oder des moderneren, vom Wetter unabhängigen Satellitennavigationssystems GPS ihr vorbestimmtes Ziel finden läßt. Gerade in einem Krieg, der nicht gegen ein Land oder dessen Bevölkerung, sondern gegen ein Regime geführt werden soll, kann die Präzision solcher Waffen große Wirkung erzielen. Frühe, von zivilen Beratern Verteidigungsminister Rumsfelds unterstützte Konzepte beruhten denn auch auf der Überlegung, die militärische Auseinandersetzung vor allem als Luftkrieg - mit einer kleineren Anzahl von Truppen am Boden - zu führen. Gegen solche Vorstellungen hat sich die militärische Führung der Streitkräfte jedoch weitgehend mit der Forderung nach mehr Armeeverbänden und einem solideren Plan durchzusetzen vermocht.

Nach einer verhältnismäßig kurzen Phase des Luftkriegs sollen mit "rollendem Start" rasche, raumgreifende Operationen der Bodentruppen beginnen. Ziel der Militäraktion ist es, das Regime zu "enthaupten", die Zerstörung seiner Massenvernichtungswaffen sicherzustellen und das Land zu befreien. Deshalb gelte es, eine große Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung sowie Zerstörungen der Infrastruktur möglichst zu vermeiden. Waffengewalt gegen irakische Truppen sei nur anzuwenden, wenn sie zu den Stützen des Regimes gehörten oder sich zum Kampf stellten, statt zu kapitulieren. Andererseits müsse der Einsatz militärischer Macht so überwältigend sein, daß dem Gegner jeder Wille zum Kämpfen genommen werde.

Seit dem ersten Mobilisierungsbefehl Verteidigungsminister Rumsfelds am 24. Dezember sind nach Angaben der Organisation Global Security, die Informationen aus offenen Quellen sammelt und ins Internet stellt, etwa 170 000 amerikanische Soldaten aller Waffengattungen für einen zweiten Irak-Krieg in Alarmbereitschaft versetzt worden; 115 000 befänden sich schon in der Golfregion oder auf dem Weg dorthin. In drei bis vier Wochen werde die Verlegung der Truppen, Flugzeuge und Schiffe weitgehend abgeschlossen sein, berichtet die Zeitung "Washington Post". Der Beginn militärischer Operationen sei aber schon früher möglich. Ende vergangener Woche, vor seiner Reise nach Italien und Deutschland, hat Rumsfeld die Verlegung der 101. Luftlandedivision, eines Eliteverbandes mit 15 000 Soldaten sowie 270 Kampf- und Transporthubschraubern, ins Krisengebiet angeordnet. Die auf Krieg in der Wüste spezialisierte 3. Infanteriedivision, deren Verbände regelmäßig in Kuweit üben, befindet sich schon fast vollständig nahe der Grenze zum Irak. Die 4. Infanteriedivision, mit ihrem schweren Gerät eine der schlagkräftigsten der amerikanischen Armee, wartet offenbar auf den Marschbefehl in die Türkei, um im Nordirak, verstärkt durch andere Verbände, eine zweite Front zu bilden. Teile der 82. Luftlandedivision sowie der in Deutschland stationierten 1. Infanteriedivision und der 1. Panzerdivision sollen sich ebenfalls auf eine Verlegung an den Persischen Golf oder in die Türkei vorbereiten. Drei Verbände aus dem Expeditionskorps der Marines mit insgesamt etwa 15 000 Mann sind entweder unterwegs nach Kuweit oder schon auf ihrem Stützpunkt eingetroffen.

Die Ausrüstung für zwei Brigaden - Panzer, Schützenpanzer, Mannschaftstransportwagen, Geschütze und Lastwagen - wird seit Jahren in Kuweit und Qatar gelagert. Seit dem Herbst - und besonders seit dem Ende des Jahres - bringen Schiffe und Flugzeuge ständig mehr Gerät und schwere Waffen. In Camp Doha, nordwestlich von Kuweit-Stadt, und Camp Arifjan weiter im Süden sind riesige Waffenarsenale und Zeltstädte für die Truppen entstanden. Amerikanische und britische Kampfflugzeuge werden auf den kuweitischen Luftwaffenbasen Ahmed Al Jaber und Ali Al Salem stationiert. Etwa 50 000 Soldaten aller Waffengattungen befinden sich zur Zeit angeblich in Kuweit; Ende der Woche sollen es schon 80 000 sein. Die Verlegung größerer Truppenteile in die Türkei verzögert sich noch, weil das Parlament in Ankara erst noch eine Entscheidung treffen soll. Kommandoeinheiten der Spezialkräfte und Agenten der CIA sind schon in den Kurdengebieten des nördlichen Irak aktiv.

Ein mobiles Operationszentrum für die Führung aller Einsätze zu Lande, in der Luft und auf See ist auf dem Stützpunkt As Sayliyah im Emirat Qatar entstanden. General Tommy Franks, der Befehlshaber des Central Command in Tampa, Florida, hat dort im Dezember mit mehreren hundert Offizieren, darunter eine größere Anzahl Briten, eine Computer-Übung abgehalten. Einer seiner Stellvertreter hält sich schon in Qatar auf. Der Luftwaffenstützpunkt Al Udeid, südwestlich von der qatarischen Hauptstadt Doha, wurde auch in den ersten Monaten des Afghanistan-Krieges viel benutzt. Die Start-und-Lande-Bahn ist die längste in der Region. In der vergangenen Woche sind dort Kampfflugzeuge des Typs F-117A gesichtet worden. Die wegen der "Stealth-Technik" auf Radarschirmen schwer zu erkennenden F-117A haben während des Golfkriegs die meisten und wichtigsten Ziele in Bagdad, vor allem in der Anfangsphase des Luftkriegs - und nachts. Einige der unsichtbaren B-2-Bomber sind angeblich schon auf die britische Pazifik-Insel Diego Garcia verlegt worden. Die Prinz-Sultan-Luftwaffenbasis in Saudi-Arabien und ihr erst im Sommer 2001 fertiggestelltes hochmodernes Operationszentrum können in einem Krieg gegen Saddam Hussein wahrscheinlich nicht genutzt werden, obwohl von dort, wie von Incirlik in der Türkei, offenbar noch ein Teil der Einsätze zur Überwachung der Flugverbotszonen im Norden und Süden des Irak geflogen wird. Auf dem Stützpunkt Thumrait in Oman sollen Tankflugzeuge und auch B-1-Bomber stationiert sein.

Drei amerikanische Flugzeugträger mit je siebzig bis achtzig Flugzeugen befinden sich schon in der Region. Die Constellation im Persischen Golf, die Abraham Lincoln im Arabischen Meer und die Harry S. Truman im östlichen Mittelmeer. Ein viertes Trägerschiff, die Theodore Roosevelt, kommt von Puerto Rico und wird wahrscheinlich im Mittelmeer bleiben, da Jordanien amerikanischen Flugzeugen Überflugsrechte über sein Territorium gewährt hat. Der Flugzeugträger Kitty Hawk, der zur Zeit in einem japanischen Hafen liegt, wurde auch noch ins Krisengebiet beordert. Zu jeder Trägergruppe gehört ein halbes Dutzend anderer Schiffe. Zusammen sollen sie mehr als tausend Marschflugkörper abfeuern können. Eine britische Armada mit dem Flugzeugträger "Ark Royal", dem Hubschrauberträger "Ocean", zwanzig weiteren Schiffen sowie 3000 Elite-Soldaten der Royal Marines ist ebenfalls auf dem Weg. Die Regierung setzte Ende Januar 26 000 Soldaten, unter anderem die 7. Panzerbrigade und die 16. Luftlandebrigade, in Marsch und hat in der vergangene Woche zusätzlich 7000 Mann sowie etwa 100 Flugzeuge in die Golfregion geschickt.

[]

Amerikanische Panzer warten in der kuweitischen Wüste in der Nähe der Grenze zum Irak auf ihren Angriffsbefehl.

Foto AP


Copyright © 2003, Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH