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Süddeutsche Zeitung January 20, 2003

Alptraum der High-Tech-Krieger

Amerikas Überlegenheit endet vor Bagdad - wenn ein blutiger Häuserkampf droht

Von Frank Nienhuysen

München - Ginge es nach Saddam Hussein, dann hätten sich die USA in den vergangenen Jahren eine Menge Geld sparen können. "Es genügt, Granaten, Granatwerfer, einen Laib Brot, Wasser und ein Gewehr zu haben", sagte der irakische Diktator vor kurzem in einer Ansprache, die seine Kommandeure bei Laune halten sollte. An Brot und Wasser wird es den irakischen Soldaten nicht fehlen, doch damit scheint die Waffengleichheit zwischen Irakern und Amerikanern auch schon erschöpft zu sein. Der US-Armee nämlich genügt solch kärgliche Kampfausrüstung nicht; sie speist ihren Optimismus vielmehr aus dem gewaltigen Arsenal an High-Tech-Waffen, das seit dem Afghanistan-Einsatz nochmals vergrößert und modernisiert worden ist. Und Chris Hellman, Militärexperte des amerikanischen Center for Defense Information, prophezeite, an Saddam gerichtet: "Wir werden mit allem nach ihm werfen, was wir haben."

Satellitengesteuert ins Ziel

Das werden die Amerikaner wohl auch müssen, wenn sie ihr Ziel erfüllen wollen, die irakischen Soldaten schnell zu zermürben und einen blutigen Krieg um Bagdad zu vermeiden. Denn die meisten Militärexperten sind sich einig darüber, dass der militärische Widerstand der Iraker deutlich größer sein wird als der in Afghanistan. Hauptstütze der ersten Phase eines Kriegs dürfte der Einsatz präzisionsgesteuerter Munition (JDAM), so genannter "smart bombs", sein. Anders als im vergangenen Golf-Krieg vor mehr als zehn Jahren, als die meisten Bomben mehr oder weniger schlicht aus der Luft fallen gelassen wurden, orientieren sich die JDAMS inzwischen an den Signalen, die sie vom Satellitennavigationssystem GPS erhalten. Nach Angaben des Herstellers trifft die Waffe bis auf 30 Meter genau. Kampfjet-Piloten müssen das Ziel nicht einmal sehen, wenn dessen Koordinaten erst erfasst sind.

"Man spart sich eine Welle von Bomben, wenn man auch nur eine smarte hat - und das hilft sehr bei der Angst vor Kollateralschäden und zivilen Opfern", sagt David Rudd vom Canadian Institute for Strategic Studies. Im Golf- Krieg 1991 waren etwa sieben Prozent der eingesetzten Bomben präzisionsgesteuert, im Kosovo waren es 30, in Afghanistan 60 Prozent; bei einem Irak-Einsatz wären es etwa 80 Prozent, die von B-2-Bombern oder den modernisierten F-18-Super-Hornet-Jets abgefeuert würden. Etwa 15000 Stück dieser "smart bombs" sollen der amerikanischen Streitmacht für einen Waffengang gegen Saddam Hussein zur Verfügung stehen. Tim Brown, Rüstungsexperte von GlobalSecurity.org, ist davon überzeugt, dass die "JDAMS letztendlich den Krieg gewinnen werden".

Obwohl diese Waffen zum Teil von Flugzeugen in elf Kilometern Höhe eingesetzt werden, setzen die USA zunehmend auf Kampfjets, in denen erst gar kein Pilot mehr sitzt - das spart Tapferkeitsmedaillen, und vor allem Opfer. Eines der ehrgeizigsten Projekte der amerikanischen Verteidigungsindustrie ist deshalb die Entwicklung der unbemannten Flugzeuge (Drohnen), die sich von ihren reinen Überwachungsaufgaben gelöst haben und inzwischen zu Killersystemen geworden sind. Das Modell Predator, von dem die Air Force mindestens 20 und die CIA eine unbekannte Anzahl besitzen, kann bis zu 24 Stunden lang ein Gebiet überwachen und innerhalb von Sekunden Hellfire-Raketen abschicken, wenn der Gegner eine mobile Rakete in Position bringt. Im Golfkrieg hatten die USA noch große Probleme mit irakischen Scud-Raketen: Ehe die US-Soldaten schussbereit waren, hatten die Iraker ihre Abschussrampe wieder versteckt.

Jack Spencer von der Washingtoner Heritage Foundation, hält in martialischer Siegeseuphorie die unbemannten Flugzeuge für "die Superstars in einem neuen Krieg". Die CIA geht mit den Waffen sogar auf Terroristenfang - im November beschoss der Geheimdienst im Jemen ein fahrendes Auto, sechs mutmaßliche Al-Qaida-Mitglieder starben.

Erstmals wird die US-Armee im Irak-Krieg voraussichtlich auch eine elektromagnetische E-Bombe einsetzen. Sie soll mit Mikrowellen elektronische Zentren der Iraker selbst im Untergrund zerstören und so die Verbindung zu Truppen trennen, die chemische oder biologische Waffen einsetzen könnten. "Die E-Bombe kann Massenvernichtungswaffen einfrieren, zumindest ist das die Hoffnung der Amerikaner", sagt der Militärexperte John Pike.

Die Grenze der technologischen Überlegenheit der Amerikaner ist allerdings an den Toren der Hauptstadt Bagdad erreicht. Für viele US-Militärs ist es ein Alptraum-Szenario, wenn sich 100000 irakische Elitesoldaten unter die Zivilbevölkerung der Millionenstadt mischen und die Alliierten in einen Häuserkampf verwickeln. "Wenn die Gefechte auf dem Feld bleiben, wird es ein kurzer Krieg", sagt Patrick Garret von GlobalSecurity.org, "doch wenn er in die Stadt getragen wird - ich weiß es nicht". Der frühere US-General John Hoar warnt, dass "die Zahl der Opfer deutlich höher sein wird, als viele meinen".

Weil den USA der zähe Kampf um Bagdad vermutlich nicht erspart bleiben wird, streben sie nach einem Bericht der New York Times eine Strategie ohne Flächenangriffe an. Stattdessen sollen einzelne Teile der Stadt nach und nach isoliert und dann über den Zugriff auf die Strom- und Wasserversorgung kontrolliert werden. Mehr als 3000 US-Soldaten der 10. Mountain Division trainieren dies offenbar in eigens errichteten Städten auf Militärbasen in Louisiana und Südkalifornien, wo die Straßen keine Namen haben und die Häuser einander gleichen. So soll unbekanntes Terrain simuliert werden. Trotz allem dürfte der Kampf um Bagdad blutig werden. So hoffen die Militärs vor allem auf eines: dass sich die irakischen Soldaten schnell gegen Saddam wenden und freiwillig ihre Waffen strecken.

GRAPHIC: Training für den Kampf um Bagdad: Amerikanische Soldaten aus Georgia bei einer Übung in einem Lager in Kuwait. - Foto: Reuters


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