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Agence France Presse January 14, 2003

Gnadenfrist fuer Saddam Hussein wird verlaengert - Auch USA wollen UN-Inspektoren mehr Zeit geben - Druck der Verbuendeten zeigt in Washington offenbar Wirkung

Von Daniel Jahn

Der Truppenaufmarsch der USA am Golf laeuft auf Hochtouren weiter - doch die Kriegsrhetorik aus Washington klingt seit einigen Tagen gedaempfter. Praesident George W. Bush habe keinen "genauen Zeitplan" fuer das Vorgehen im Irak-Konflikt, sagte am Montag der Sprecher des Weissen Hauses, Ari Fleischer. Der Praesident meine, dass die Inspektoren genuegend Zeit haben muessten, "um ihren Job zu erledigen". Mit solchen Erklaerungen relativiert inzwischen auch die US-Regierung die Bedeutung des 27. Januar, an dem die Waffenkontrolleure ihren ersten umfassenden Bericht abliefern muessen. Dabei hatte die Bush-Regierung zuvor wochenlang den Eindruck verbreitet, der Showdown mit Saddam Hussein koennte schon kurz nach diesem Stichtag beginnen.

Die Kurskorrektur in Washington hat mehrere Gruende: Zum einen sind die militaerischen Vorbereitungen fuer den Krieg noch nicht abgeschlossen; zum anderen zeigt der wachsende Widerstand der Verbuendeten offenbar seine Wirkung. Die Gnadenfrist fuer den irakischen Machthaber Saddam Hussein wird also verlaengert. Abgesagt haben die USA den Krieg aber nicht.

Denn selbst die Eskalation des Konflikts mit Nordkorea duerfte Bush nicht dazu bewegen, den Erzfeind in Bagdad ungeschoren davonkommen zu lassen. In der Sichtweise des US-Praesidenten macht die atomare Bedrohung aus Pjoengjang die Ausschaltung Saddam Husseins nur umso dringlicher: Bush wolle nun moeglicherweise die Konfrontation mit Irak erst recht so schnell wie moeglich hinter sich bringen, um sich dann mit Nordkorea zu befassen, sagt Ted Galen Carpenter, Aussenpolitik-Experte am Cato-Institut, einer Denkfabrik in Washington.

Doch das Irak-Problem laesst sich nicht so rasch abhaken, wie von Bush gewuenscht. Zum einen braucht der Truppenaufmarsch in der Region seine Zeit. Ein Kriegsbefehl direkt nach dem 27. Januar kaeme den Pentagon-Planern zu frueh. Die Gefechtsbereitschaft soll laut Verteidigungsministerium erst bis Mitte Februar hergestellt sein, wenn mindestens 150.000 US-Soldaten am Golf stationiert sein sollen. Zudem werden die Kriegsvorbereitungen dadurch erschwert, dass der NATO-Partner Tuerkei bislang nicht eingewilligt hat, bis zu 80.000 US-Soldaten auf seinen Militaerbasen aufstellen zu lassen.

Auch der wachsende Widerstand der Westeuropaeer hat Bush offenbar nicht unbeeindruckt gelassen. Vor allem der Kurswechsel in London, das jetzt auf "Zeit und Raum" fuer die UN-Inspektoren dringt, duerfte in Washington ein "blinkendes Warnlicht" ausgeloest haben, sagt Carpenter. Schliesslich war der britische Premier Tony Blair bislang Bushs treuester Partner. Dennoch will der US-Praesident den Druck auf Saddam Hussein aufrecht erhalten. Der 27. Januar markiere "den Anfang der Schlussphase", die zur Entscheidung ueber den Krieg fuehre, zitierte die "Washington Post" ein hohes Regierungsmitglied. Wie lange diese "Schlussphase" dauern soll, wurde allerdings wohlweislich offen gelassen.

Noch immer spricht einiges dafuer, dass der Krieg vor Ende Maerz beginnen koennte - nicht zuletzt die klimatischen Bedingungen in Irak. Zwar sei eine Invasion auch im spaeten Fruehjahr oder Sommer machbar, sagt der Militaerexperte Patrick Garrett von der Denkfabrik globalsecurity.org. In der Wueste werde es dann aber unter den Spezialanzuegen, die die US-Soldaten zum Schutz vor chemischen Waffen tragen, extrem heiss. Eine Verschiebung des Krieges bis nach dem Sommer wuerde die US-Streitkraefte jedoch ebenso in Schwierigkeiten bringen. Zwar koennten zumindest die Bodentruppen durchaus so lang in der Region gehalten werden, sagt Garrett. Doch die Moral der Truppe koennte als Folge der langen Stationierung sinken.

Dass Bush den Krieg doch noch abblaest, gilt unter vielen Experten dagegen als das unwahrscheinlichste Szenario. Nachdem der Praesident monatelang die Kriegstrommeln geruehrt habe, koenne er seine Truppen nicht einfach wieder abziehen, sagt Garrett. Sein Kollege Carpenter will dagegen nicht voellig ausschliessen, dass Bush auf die Militaeraktion verzichtet: Dies koenne etwa dann passieren, wenn die Inspektoren weiter keine Belege fuer irakische Massenvernichtungswaffen faenden - und der Widerstand der Verbuendeten ein "enormes Ausmass" erreiche.


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