
T-Online 13. Sep, 2002
Irak-Krieg: Vorbereitungen laufen auf Hochtouren
Eine Frist hat George W. Bush zwar nicht gesetzt, als er die Vereinten Nationen zum Handeln gegen den Irak aufrief. Für UN-Diplomaten jedoch bestehen kaum Zweifel, dass der US-Präsident mit seiner Rede vor der UN-Vollversammlung am Donnerstag den Countdown für einen Militärschlag gegen den Irak eingeleitet hat.
Tausende Tonnen Kriegsgerät
Die militärischen Vorbereitungen zumindest laufen - zeitgleich mit der diplomatischen Offensive - auf Hochtouren. In der Golfregion stapeln sich bereits tausende Tonnen Kriegsgerät. Seit Monaten bauen die USA ihren Stützpunkt im Golfstaat Katar aus. Auch Medienberichte, wonach der Führungsstab der Armee im November nach Katar verlegt werden soll, nähren die Spekulationen über einen bevorstehenden Militärschlag. Das US-Verteidigungsministerium versuchte zwar, die Verlegung als "Stabsübung" abzuqualifizieren. Experten hingegen bezweifeln, dass die rund 1000 Soldaten - darunter zahlreiche Führungskräfte - nur zufällig im Herbst in die Golfregion geschickt werden sollen.
Krieg in drei Monaten?
Denn abhängig ist der Zeitpunkt eines möglichen US-Feldzuges nicht zuletzt von der Jahreszeit: Angesichts der erträglichen Temperaturen während der Wintermonate dürfte die Entscheidung über einen Angriff spätestens im Dezember fallen. Der frühere Kommandeur der US-Navy im Golf, Ex-Admiral Stephen Baker, erklärte in der britischen Tageszeitung "Guardian", die US-Streitkräfte würden für einen Einsatz die Zeit bis zum März wählen. Später würden die Temperaturen beginnen, unerträglich zu werden - zumal die Soldaten eventuell Schutzanzüge gegen chemische oder biologische Waffen tragen müssten. In ein bis zwei Monaten seien die USA kampfbereit, ergänzte Baker. "Nach dem, was der US-Präsident gesagt hat, würde ich sagen: Entweder der Irak lässt die UN-Waffeninspektoren wieder ins Land, oder der Krieg beginnt in den nächsten drei Monaten."
30 Tage um loszuschlagen
Nach dem Stand der Vorbereitungen wäre das US-Zentralkommando (Centcom) durchaus in der Lage, innerhalb eines Monats die mindestens für einen Militärschlag eingeplante Untergrenze von 50.000 Soldaten gegen Bagdad zu mobilisieren. 30.000 Soldaten befinden sich bereits in der Region. "Es würde zehn Tage dauern, weiteres Kriegsgerät in die Region zu bringen, zehn Tage, um die Truppen einzufliegen und zehn Tage, um gegen Bagdad loszuschlagen", erklärte der US-Militärexperte John Pike.
Bis zu 200.000 Soldaten
Selbst wenn die USA auf Nummer Sicher gehen, und eine Truppe von 200.000 Soldaten gegen den Irak mobilisieren, würden die Vorbereitungen lediglich vier Wochen mehr in Anspruch nehmen. Für diese "große Variante" sind nach den Planungen der Centcom allenfalls zwei Monate eingeplant. Zum Vergleich: Für den ersten Golfkrieg Anfang der 90er Jahre hatten die USA ein halbes Jahr benötigt, bis die Truppen einsatzbereit waren.
Auch Briten bereiten sich vor
Auch die Briten, in Europa die eifrigsten Befürworter der US-Irak-Politik, bereiten sich auf einen möglichen Krieg vor. In der "größten Operation seit Jahren" werde umfangreiches Material an Waffen, Militärfahrzeugen und Versorgungsgütern aus dem ganzen Land in einen Marinehafen in der Nähe von Southampton verlegt, berichtete am Freitag die BBC. Das Verteidigungsministerium spreche von einer "Übung", habe aber gleichzeitig zugegeben, so die BBC, dass das Material so bereits an den richtigen Ort für eine Operation gegen den Irak gelange. An der am Sonntag beginnenden Übung seien 6000 Mann beteiligt - "nahezu jedes Mitglied des Königlichen Logistischen Corps".
Vorhut nach Bagdad
Der "Daily Telegraph" berichtete zudem, dass die Londoner Regierung binnen zwei Wochen eine Vorhut britischer Truppen nach Kuwait entsenden werde, um dort einen möglichen Angriff auf den Irak vorzubereiten. Außerdem wollten die USA und Großbritannien ihre Angriffe durch Kampfjets in den Flugverbotszonen über dem Irak verstärken, um Präsident Saddam Hussein zum Einlenken zu bewegen.
Notfalls im Alleingang
US-Präsident Bush hatte vor dem Sicherheitsrat der UN unmissverständlich erklärt, dass die USA notfalls auch im Alleingang gegen den Irak vorgehen würden. "Die Resolutionen des Sicherheitsrates werden durchgesetzt, die Forderungen nach Frieden und Sicherheit werden erfüllt - oder ein Vorgehen wird unvermeidlich", hatte Bush verkündet.
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