
T-Online July 29, 2002
Amerikaner denken über Bombardierung nach
Schon seit sieben Jahren herrscht Hochbetrieb in dem kleinen Städtchen Bushehr am Persischen Golf: Tausende Bauleute und Wissenschaftler sind in Aktion, um fristgerecht das größte Atomkraftwerk des Irans ans Netz zu bringen. In rund anderthalb Jahren sollen die zwei Druckwasserreaktoren endlich betriebsbereit sein.
USA voller Misstrauen
Doch ebenfalls seit Jahren beobachten die Amerikaner diese Vorgänge mit steigendem Misstrauem. Bush hat den Iran mit Nordkorea und dem Irak in einem Atemzug als "Achse des Bösen" bezeichnet: Angeblich strebt das Land danach, Massenvernichtungswaffen zu entwickeln. Bush mit seinem neu eingerichteten Ministerium für Heimatschutz gerät zusehends in Bedrängnis. Jetzt, so berichtet die "Washington Post", wird derzeit über eine Zerstörung des fast fertigen Bauwerks diskutiert.
Deutsche begannen Bau 1974
Schon 1974 hatte Siemens mit dem Bau der Reaktoren begonnen, wurde aber durch den Sieg des Chomeini-Regimes an der Fertigstellung gehindert. Während des Iran-Irak-Kriegs wurde die Baustelle bombardiert, einer der beiden Reaktoren wurde schwer beschädigt. Dann aber änderte die iranische Führung ihre Meinung, beschloss, den Bau endlich fertig zu stellen und schloss dazu 1995 mit Russland einen Vertrag ab.
Iran: Nur zur zivilen Nutzung
Beide Länder versichern den Amerikanern immer wieder, dass einzig und allein an die zivile Nutzung der Kernenergie gedacht werde. Im Vertrag soll auch geregelt sein, dass verbrauchte Brennelemente nach Russland transportiert werden, damit der Iran kein Plutonium zur Produktion von Atomwaffen verwenden kann. Und überhaupt: Inspektoren der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) könnten ja darüber wachen, dass alles mit rechten Dingen zugeht. Aber all die Versicherungen scheinen weder USA noch Irans Nachbarn Israel sonderlich zu beruhigen.
Stimmen für einen Präventivschlag
"Es gibt Stimmen in der Regierung, die einen Präventivschlag befürworten", berichtet Nahost-Experte Anthony H. Cordesman in der "Washington Post". Auch wenn der Iran aus dem atomaren Material selbst keine Bomben bauen könnte - es würde nichts desto trotz wichtiges Wissen dafür sammeln können. Laut "Washington Post" warnt bereits der CIA, dass die russischen Wissenschaftler dem Iran Know-How zum Bau von Atombomben zukommen lassen.
Furcht vor einer Ausweitung des Konflikts
Die Gegner fürchten, eine Attacke könnte das ganze Land gegen die USA aufbringen. Auch würde sich eine Zerstörung des Kraftwerks nicht auf ein geheimes Programm zum Bau von Atomwaffen auswirken. Ein Bombardement könnte weiter verheerende Auswirkungen auf die Beziehungen zu Russland haben. Wie auch immer: "Innerhalb des nächsten Jahres werden die USA oder Israel die Atomkraftwerke des Irans bombardieren oder hinnehmen, dass der Iran eine Atommacht ist," so John E. Pike, Direktor von GlobalSecurity.org in der "Washington Post".
Copyright © 2002 T-Online