
Agence France Presse -- German April 10, 2002
Bush wartet auf richtigen Moment fuer Irak-Offensive - Experten erwarten Kriegsbeginn im Herbst - Zeitplan haengt von Ruestungsnachschub und Wahltermin ab
Von Daniel Jahn
Der Krieg gegen Irak ist wohl nur aufgeschoben. Zwar kleidet George W. Bush seine Absichten nach wie vor in vage Formeln: "Alle Moeglichkeiten offen", erklaerte der US-Praesident nach dem Gipfel mit dem britischen Premier Tony Blair. Doch Experten in den USA gehen davon aus, dass Bush weiter fest entschlossen ist, den unerledigten Job seines Vaters aus dem Golfkrieg 1991 zu vollenden und Saddam Hussein zu stuerzen. Demnach geht es nur noch um den richtigen Zeitpunkt. Dass Bush den Marschbefehl schon in den naechsten Monaten gibt, gilt als eher unwahrscheinlich. Die meisten Experten tippen auf den Herbst.
Der Nahe Osten hat Bushs Agenda durcheinander gebracht. Die Regierung habe bereits nach internationaler Unterstuetzung fuer eine Irak-Operation gesucht, als die Gewalt zwischen Israelis und Palaestinensern eskalierte, so Joseph Cirincione von der Carnegie-Stiftung, einer Denkfabrik in Washington. Die Massenproteste in den arabischen Staaten sieht Washington mit Sorge. Ein Krieg gegen Irak zum jetzigen Zeitpunkt wuerde die antiamerikanische Stimmung noch mehr anheizen. Die USA muessten dann um das Ueberleben der befreundeten Regierungen vor allem in Aegypten und Jordanien fuerchten, sagt Ted Galen Carpenter vom Cato-Institut, einem weiteren "think tank" in der US-Hauptstadt.
Die Eskalation in Nahost und die instabile Lage in Afghanistan haben laut Cirincione die USA zuletzt wieder etwas vom Kurs einseitiger Aktionen abgebracht. Die Warnungen aus Europa vor einer Irak-Offensive verhallen demnach nicht voellig wirkungslos. Nicht zuletzt deshalb verfolgen die USA den Plan, zunaechst gemeinsam mit den Vereinten Nationen die Wiedereinreise von Waffeninspektoren zu fordern. Die Regierung wisse, dass sie ansonsten keinerlei Rueckhalt aus Europa fuer einen Irak-Krieg erwarten koenne, sagt Cirincione.
UN-Generalsekretaer Kofi Annan will naechste Woche erneut mit den Irakern ueber die Inspektionen verhandeln. Saddam Hussein zeigt sich weiter unnachgiebig. Zudem koennten die USA, um den Krieg zu legitimieren, laut Cirincione die Anforderungen derart verschaerfen - Zugang zu allen Einrichungen, bewaffnete Inspektoren -, dass die irakische Zustimmung noch unwahrscheinlicher wird.
Doch auch fuer den Fall, dass Irak der UNO die Suche nach Massenvernichtungswaffen wieder erlaubt, hat Washington vorgebeugt. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld sagte, die Inspektionen koennten kaum funktionieren: Selbst wenn Inspektoren im ganzen Land ausschwaermten, "waere es sehr schwierig, etwas zu finden". Die USA wuerden die Inspektionen mehrere Monate andauern lassen, um sie dann fuer gescheitert zu erklaeren, erwartet John Pike von GlobalSecurity.org, einer Denkfabrik fuer Militaerfragen in Alexandria/Virginia.
Doch ob es Waffeninspektionen gibt oder nicht - der Zeitplan fuer die Irak-Offensive wird noch von anderen Faktoren beeinflusst, die einen Kriegsbeginn vor dem Herbst unwahrscheinlich machen. So ist die Kampagne in Afghanistan nicht vorbei. Hohe US-Militaers warnen, sie haetten nicht genug Soldaten, um zugleich in Afghanistan und Irak zu kaempfen. Zudem hinkt die Ruestungsmaschinerie den Anforderungen hinterher: Afghanistan hat die Vorraete an Praezisionssystemen fuer Bombardierungen weitgehend verschlungen, das Arsenal muss erst wieder gefuellt werden.
Auch klimatische Faktoren spielen eine Rolle. Wahrscheinlich sei ein irakischer Gegenangriff mit chemischen Waffen, sagt Pike. Die US-Soldaten muessten also mit speziellen Schutzanzuegen in die Wueste ziehen. Im Sommer werde es unter diesen Anzuegen aber "unertraeglich heiss".
Und nicht zuletzt der Termin der Kongresswahl am 5. November duerfte den Irak-Plan mit bestimmen. Wie, ist aber noch unklar - in Washington gehen die Meinungen auseinander, ob fuer die Republikaner der Kriegsbeginn vor oder nach der Wahl guenstiger waere. Pike meint zudem gar, dass auch das Datum der Bundestagswahl die US-Plaene beeinflussen koennte: Nach dem 22. September waere es fuer die Bundesregierung "viel leichter, wegzuschauen", wenn die USA in Irak einfielen.
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