
Focus Magazin January 28, 2002
Genanalyse; Jagd auf bin Ladens Erbgut
US-Ermittler sammeln Genproben, um den Top-Terroristen zu identifizieren. Seine Verwandtschaft soll spenden
Im Gefangenenlager Sheberghan in Nordafghanistan wird der Terrorismus mit Hilfe der modernen Biotechnologie bekaempft. Seit Anfang des Jahres ermittelten amerikanische Militaers, welche der 3000 Inhaftierten gebuertige Afghanen sind, welche aus anderen Laendern stammen und somit zu Osama bin Ladens al-Qaida-Netzwerk gehoeren koennten. Die mutmasslichen Terroristen werden einer Spezialbehandlung unterzogen, erklaert Major Joe Pentzy: "Wir nehmen Haare und Hautproben von den Auslaendern fuer DNA-Tests." Die Genanalysen sollen vor allem den Top-Terroristen auf der "Ten Most Wanted" -Liste des FBI zweifelsfrei identifizieren: Osama bin Laden selbst.
"Ob eine Leiche oder ein Gefangener tatsaechlich Osama bin Laden ist oder nicht, kann mit hundertprozentiger Sicherheit nur mit Hilfe eines DNA-Tests festgestellt werden", meint der Gerichtsmediziner Victor Weedn. Ein Toter koenne bis zur Unkenntlichkeit entstellt sein, erklaert der Professor von der Carnegie-Mellon-Universitaet in Pittsburgh; Pennsylvania, ein lebender Doppelgaenger sich bei seiner Gefangennahme als bin Laden ausgeben. Weedn, der sowohl Arzt wie Jurist ist, hat das DNA-Identifizierungsprogramm der amerikanischen Streitkraefte gegruendet und nimmt Genanalysen bei unbekannten gefallenen Soldaten vor.
Um die Identitaet eines Opfers festzulegen, vergleichen die Genetiker Erbgut der Gefallenen mit Genproben von Familienangehoerigen. Angeblich liegen den Behoerden bereits Erbgutproben von Verwandten des Terroristen vor. Mindestens einer der in den USA lebenden Halbbrueder bin Ladens (er hat 53 Halbgeschwister weltweit, aber keine Geschwister ersten Grades) hatte bereits vor dem 11. September mit den Fahndern zusammengearbeitet und den Behoerden eine DNA-Probe zur Verfuegung gestellt. Mit dem genetischen Profil der Halbbrueder und -schwestern, erklaert Weedn, koenne lediglich ein "einigermassen guter Nachweis" erbracht werden. US-Ermittler versuchen deshalb, weitere Proben des Bin- Laden-Clans sicherzustellen.
Die einwandfreie Identifizierung des Terroristen ist aus einem weiteren Grund unerlaesslich: schlichter Betrug. "Bei einem Kopfgeld von 25 Millionen Dollar sind nicht nur die US-Armee und ihre Verbuendeten auf der Suche nach dem Terroristen", meint der Militaerexperte John Pike von der Sicherheitsagentur Global Security. Pike vermutet, dass auch private Kopfgeldjaeger alles daransetzen, um die Praemie zu gewinnen. Bei der Belohnung rentiere es sich, so Pike, "ein paar 100000 Dollar zu investieren".
GRAPHIC: Halbbruder YAHYA bin Laden fuehrte Jimmy Carter durch eine Universitaet;
Hohe Belohnung Wertvolle gene US-Fahnder muessen Osama bin Ladens Identitaet feststellen Betrug durch Kopfgeldjaeger droht;
Halbbruder Bakr bin Laden (r.) zeigt Koenig Fahd 1992 die Moschee in Medina;
Bin Ladens Identitaet ist schwer zu bestimmen, weiss Victor Weedn: Es fehlt Erbgut von Osamas direkter Verwandtschaft
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