
FACTS September 26, 2002
Unter Der Lupe
Von Rainer Kayser
Private Satelliten schicken hochaufloesende Bilder zur Erde. Sie wuerden in einem Irakkrieg eine wichtige Rolle spielen.
Kristallklar zeigen die Satellitenbilder Flugzeuge, Militaertransporter und Zelte der amerikanischen Soldaten auf dem Stuetzpunkt al-Udeid in Katar. Brisant: Der Vergleich mit aelteren Aufnahmen zeigt den stetigen Ausbau der Luftwaffenbasis. Die Vorbereitung fuer einen bevorstehenden Angriff auf den Irak?
Die Veroeffentlichung der hochaufloesenden Bilder des kommerziellen Satelliten Quickbird bescherte der unabhaengigen Organisation Global Security im August nicht nur rekordverdaechtige Zugriffszahlen auf ihre Website und ein weltweites Medienecho, sondern auch buendelweise hasserfuellte E-Mails, in denen "gute Patrioten" sich ueber den Verrat amerikanischer Militaergeheimnisse beklagten. In der Tat duerfte den US-Militaers kaum behagen, was Satelliten wie der im Oktober vergangenen Jahres gestartete Quickbird der Oeffentlichkeit und dem militaerischen Gegner enthuellen. Der Aufbau spezieller Bunker fuer Flugzeuge ist auf den Aufnahmen, die eine Aufloesung von 60 Zentimeter besitzen, ebenso zu erkennen wie der Bau einer Kommandozentrale und externe Stromgeneratoren. Die gestochen scharfen Bilder lassen erahnen, welche Einzelheiten Quickbird enthuellen koennte, wenn es tatsaechlich zum Krieg kommt.
Die Kontrolle ueber die Kriegsbilder wird immer schwieriger, seit private Unternehmen Satelliten mit hochaufloesenden Kameras in die Erdumlaufbahn schiessen. Auf den Bildern von Quickbird und dem zwei Jahre aelteren Konkurrenzsatelliten Ikonos, der schon eine Aufloesung von einem Meter erreicht, lassen sich neben Truppenbewegungen und Panzern auch Schaeden an zivilen Gebaeuden erkennen.
"Die Interpretation der hochaufloesenden Bilder ist nicht schwieriger als bei Luftaufnahmen", meint Hans-Joachim Lotz-Iwen vom Deutschen Zentrum fuer Luft- und Raumfahrt (DLR) in Oberpfaffenhofen. Hinzu komme, dass es professionelle Bildauswertungssoftware frei auf dem Markt gaebe. "Damit lassen sich zum Beispiel lineare Strukturen herausfiltern - etwa Verkehrswege."
Wie waehrend des Afghanistankriegs wird die US-Regierung deshalb wohl auch in einem Irakkrieg versuchen, die freie Verfuegbarkeit von Satellitenbildern einzuschraenken. Dreieinhalb Monate lang sicherte sich damals die nationale Bildauswertungszentrale Nima fuer mehrere Millionen Dollar die Exklusivrechte an allen Ikonos-Bildern der Krisenregion. Abgeschlossen wurde der Vertrag rueckwirkend auf den 7. Oktober 2001, jenen Tag, an dem angeblich das Dorf Karam nahe Dschalalabad durch US-Bomben zerstoert wurde. Wollte die Nima verhindern, dass Satellitenbilder des Gebiets an die Oeffentlichkeit gelangen?
"Wenn die Taliban erklaeren, ein Dorf sei getroffen worden, und das Pentagon bestreitet dies, dann laesst sich mit kommerziellen Satellitenbildern natuerlich klaeren, wer Recht hat", erlaeutert John Pike, Chef von Global Security. "Die hochaufloesenden Bilder erklaeren sich geradezu selbst, sie sind so klar, dass selbst das ungeuebte Auge alle Einzelheiten deutlich erkennen kann", bestaetigt Mark Brender von Spaceimaging, dem Betreiber von Ikonos. Zudem bieten Privatunternehmen eine professionelle Analyse der Bilder an - haeufig arbeiten dort ehemalige Mitarbeiter der staatlichen Bildauswertungsbehoerden, sagt Brender.
Allsehend sind die Spaeher im Himmel nicht. Das Problem: Der Satellit ueberstreicht mit seinen Kameras nur einen schmalen Streifen von zehn Kilometer Breite - alle drei Tage einmal. Will jemand den Erfolg eines Raketenangriffs analysieren, muesste er die Bilder im Voraus bestellen - mit sehr genauen Angaben der gewuenschten Position am Boden.
Der Griff der Militaers nach den zivilen Satellitenbildern hat denn weitere Gruende. "Die USA wollen hauptsaechlich vermeiden, dass hochaufloesendes Bildmaterial in falsche Haende geraet", glaubt Wolfgang Baetz von der Gesellschaft fuer angewandte Fernerkundung (GAF) in Muenchen. "Schon in frueheren Zeiten lag das Monopol fuer die genauesten Karten beim Militaer - aus gutem Grund." Und ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums erklaerte waehrend des Afghanistan-Konflikts: "Wir wollen nicht, dass die Medien Satellitenbilder praesentieren, die von Terroristen interpretiert werden koennen und unsere Streitkraefte gefaehrden."
"Natuerlich ist auch die Gegenseite an solchen Aufnahmen interessiert", bestaetigt Lotz-Iwen und berichtet von einschlaegigen Anfragen. "Schon im Iran -Irak-Krieg kamen ploetzlich Anfragen von obskuren Beraterfirmen, die flaechendeckend Satellitenbilder vom Iran oder vom Irak aufkaufen wollten." Dass Satellitenbilder in falsche Haende geraten, ist heute kaum zu vermeiden. Zwar spricht Mark Brender von "strikten Prozeduren" zur Vermeidung von Lieferungen an Terroristen oder Staaten, die den Terrorismus unterstuetzen, doch ein verdeckter Ankauf von Satellitenbildern ueber Mittelsfirmen duerfte kaum kontrollierbar sein. "Natuerlich beliefern wir auf Anfrage deutsche Universitaeten und Firmen mit Bildern. Aber wir haben keine Kontrolle darueber, ob ein Kunde dieses Material illegal weitergibt", sagt auch Baetz.
Hinzu kommt, dass sich die wachsende Flotte der Beobachtungssatelliten am Himmel ohnehin der Kontrolle einer einzelnen Nation entzieht. "Selbst waehrend des Afghanistankriegs waren Bilder der Region von anderen Satelliten im Internet zu finden", erinnert sich Baetz, zum Beispiel vom zypriotischen Eros -Satelliten, der eine Aufloesung von bis zu einem Meter erreicht. Und auch Russland, China und Israel besitzen Beobachtungssatelliten. Ueber deren Qualitaet ist allerdings kaum etwas bekannt.
Baetz glaubt denn auch, dass es den Amerikanern nicht nur um die Kontrolle ueber die Satellitenbilder geht, sondern dass die Militaers selbst dringenden Bedarf an den Aufnahmen haben. Dafuer spricht ein Memorandum von CIA-Chef George Tenet an die Nima. Darin fordert er, dass kuenftig "kommerzielle US -Satelliten die Hauptdatenquelle fuer Kartierungen im Auftrag der Regierung" sein sollten. "Der Umfang der Nutzung von kommerziellen Bildern fuer militaerische Planungen und Aktionen hat immens zugenommen", berichtet auch Nima-Mitarbeiter James Clapper.
"Das US-Militaer hat selbst nicht genug Bildsatelliten", bewertet Lotz-Iwen die Entwicklung, "dort hat man sich auf Satelliten zur Ueberwachung der Kommunikationsnetze konzentriert." Im Bereich niedriger und mittlerer Bildaufloesung sei man daher auf die Zusammenarbeit mit kommerziellen Anbietern angewiesen. James Clapper nennt einen weiteren Vorteil: Kommerzielle Bilder "lassen sich uneingeschraenkt mit Alliierten teilen." Denn bezueglich der Leistungsfaehigkeit ihrer Spionagesatelliten lassen sich die Amerikaner selbst von den militaerischen Freunden der Nato ungern in die Karten schauen.
Dass sich per Satellit die Nummernschilder von Autos und die Ueberschriften von Zeitungen auf den Strassen Moskaus entziffern lassen, gehoert zwar ins Reich der Legenden. Doch mit einer Aufloesung von zehn Zentimetern uebertrifft die Flotte der Keyhole-12-Satelliten die Faehigkeiten der kommerziellen Anbieter erheblich. Waehrend sich auf den Ikonos-Bildern Personenwagen von Lastwagen unterscheiden lassen, koennen die Militaers auf den Aufnahmen der KH -12-Satelliten sogar das Fabrikat der Personenwagen identifizieren. Die Aufloesung der Schluesselloch-Satelliten reicht auch aus, um uniformierte Soldaten von Zivilpersonen zu unterscheiden. Und mit ihren Infrarotsensoren koennen die Spaeher sogar Tarnungen durchdringen und Panzerattrappen entlarven.
Fuenf oder sechs der himmlischen Spueraugen, jedes ueber eine Milliarde Dollar teuer, betreiben die Amerikaner - jedes uebertrifft mit seinem vier Meter grossen Spiegelobjektiv sogar das Weltraumteleskop Hubble, dessen Spiegel nur 2,4 Meter gross ist. Und im Gegensatz zum Hubble-Teleskop besitzen die KH-12 -Satelliten ein eigenes Antriebssystem, mit dem sich ihre Bahnen schnell den Beduerfnissen der Militaers anpassen lassen.
Ein gravierender Nachteil freilich ist all den scharfen Augen im All gemeinsam: Sie sind bei dichten Wolken oder Nebel ebenso blind wie bei Nacht. Doch auch fuer dieses Problem gibt es Abhilfe: Radarsatelliten tasten permanent die Erdoberflaeche ab. Aus ihren Daten lassen sich Bilder gewinnen, die ihren optischen Gegenstuecken kaum nachstehen. So erreichen die amerikanischen Lacrosse-Satelliten eine Aufloesung von einem Meter, kommerzielle Satelliten wie der europaeische ERS-2 oder der kanadische Radarsat koennen immerhin noch Objekte bis zu acht Meter Groesse ausmachen - auch hier schrumpft der Vorsprung der Militaers.
Die Zeiten des Bildmonopols fuer das Militaer gehen unaufhaltsam dem Ende entgegen - die Feldherren der Zukunft muessen sich wohl oder uebel darauf einstellen, dass ihre Aktionen unter einem glaesernen Himmel stattfinden und den Augen der Oeffentlichkeit frei ausgesetzt sind. Das Ende aller Kriege bedeutet dies zwar noch nicht. Aber, sagt John Pike: "Die Oeffentlichkeit kann kuenftig sicher sein, dass sie korrekt informiert ist, und das muss die politische Fuehrung bei ihren Entscheidungen beruecksichtigen."
13. Januar 2002: Die Flugzeugrampe des US-Stuetzpunkts al-Udeid in Katar ist im Bau.
13. Juni 2002: Die Bauarbeiten sind beendet. Die Flugzeuge stehen zum Einsatz bereit.
Quickbird: Der Satellit fotografierte den ausgebauten Stuetzpunkt.
Bagdad: Die Bilder des Satelliten Quickbird zeigen das Stadtzentrum (1) mit dem Siegesdenkmal (2). Nahe des Denkmals ist eine Luftabwehrbasis (3) sichtbar, wo ein Lastwagen mit montierter Radaranlage (4) auf einem Erdhuegel platziert ist.
Chemiefabrik im Irak: In Fallujah wird laut den USA fuer Militaer produziert.
Bookmarks
Bilder von Ikonos:
http://www.spaceimaging.com/
Bilder von Quickbird:
http://www.digitalglobe.com/
Global Security:
http://www.globalsecurity.org/
Federation of American Scientists:
www.fas.org/irp/imint
Flugbahnen
Wenn ein US-Spionagesatellit den Irak ueberfliegt, ist das alles andere als geheim. Die Spaeher, gross wie ein Linienbus, sind bei klarem Himmel mit dem Fernglas zu erkennen. Weltweit verfolgen Satellitenfans die Manoever am Nachthimmel und veroeffentlichen Bahndaten:
www.hobbyspace.com/SatWatching oder http://www.sat/ obs.org. Schon Zeitunglesen reicht: Die US-Zeitschrift "Aviation Week" und die britische "Sunday Times" berichteten letzte Woche ausfuehrlich ueber die sechs Satelliten, die Bagdad ueberfliegen (http://www.facts.ch/). So habe vergangenen Sonntag genau um 14.12 Uhr der Radarsatellit Lacrosse 4 den Sueden des Landes ueberquert, vier Stunden zuvor sei Keyhole-11 ueber Bagdad unterwegs gewesen. Militaerexperten sind sich sicher: Schon im Golfkrieg 1991 haben die Iraker ueber die Bahnen der US -Satelliten Bescheid gewusst und Scudraketen vor ihnen verstecken koennen.
Spaeher am Himmel
Parade der Bildsatelliten
Diese Satelliten schicken pausenlos hochaufloesende Bilder zur Erde.
Quickbird
Start: 18. Oktober 2001
Bahnhoehe: 450 km
Aufloesung: 0,61 m
Betreiber: DigitalGlobe (USA)
Ikonos
Start: 24. September 1999
Bahnhoehe: 681 km
Aufloesung: 1 m
Betreiber: Spaceimaging (USA)
IRS-1C
Start: 28. Dezember 1995
Bahnhoehe: 817 km
Aufloesung: 5 m
Betreiber: Indien
SPOT
Start:
22. Februar 1986
Bahnhoehe: 822 km
Aufloesung: bis zu 2,5 m
Betreiber: Spot Image, Toulouse
Keyhole-12 (Crystal)
Start: 1990
Bahnhoehe: 330 bis 160 km
Aufloesung: 10 cm
Betreiber: USA
Radarsat (Radarsatellit)
Start: 4. November 1995
Bahnhoehe: 800 km
Aufloesung: bis zu 8 m
Betreiber: Kanada
Lacrosse (Radarsatellit)
Start: 1988
Bahnhoehe: 600 km
Aufloesung: ungefaehr 1 m
Betreiber: USA
Zum Vergleich: Die Meteosat-Wettersatelliten befinden sich geostationaer in einer Hoehe von 35 790 km. Ihre Bilder haben eine Aufloesung von etwa 2,5 km.
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